0404 - Karten des Unheils
Kaiserin…«
»Nicht der Dolch, den Sie gesehen haben?« hakte Sarah nach.
Da starrte die andere sie an. »Was meinen Sie damit?«
»Es ist Baals Erbe, von dem Sie auch geschrieben haben. Und ich bin sicher, dass wir damit noch etwas zu tun bekommen, Ludmilla. Seien Sie nur vorsichtig, sehr vorsichtig!«
Da lachte die Russin. »Nein, nicht mich wird er töten wollen, sondern Sie. Ja, Baals Dolch wird Sie vernichten. Wir haben die Karten aufgedeckt. Der Tod ist anwesend. Ich spüre, ja…« Sie verzog das Gesicht, als wollte sie intensiv nachdenken. »Ja, ich spüre ihn. Es ist so weit, Sarah. Es ist so weit.«
Ludmilla hatte sich von einer Sekunde zur anderen verändert. Sie machte den Eindruck einer Person, die viel wusste, aber noch nichts sagen wollte. Hinter ihrem Schreibtisch hielt sie nichts mehr. Etwas zögernd drückte sie sich hoch, schritt an der Längsseite des Schreibtisches vorbei und blieb für einen Moment stehen.
Sie lauschte.
Auch Lady Sarah sagte nichts. Sie hielt ebenso den Atem an wie die Russin.
Die drehte sich zu ihrer Besucherin um und zeigte ihr die rechte Hand. »Da, schau genau hin! Sieh auf meine Hand, da ist die zweite Haut. Es ist das Gefühl, es zu spüren, es in der Nähe zu wissen,« und sie sah zur Tür. Ihr Blick hatte dabei einen lauernden Ausdruck angenommen.
Auch Lady Sarah drehte den Kopf, aber sie blieb sitzen und fragte mit leiser Stimme: »Befindet es sich dort?«
»Nein, nein, ich weiß nicht!« Wieder drehte sich die Frau. »Es ist woanders.« Sie breitete den rechten Arm aus. Diesmal blickte sie über den Schreibtisch hinweg, und der ausgestreckte Zeigefinger wies auf den Vorhang, hinter dem etwas lag, das Sarah Goldwyn noch nicht kannte. Dort konnte sich ebenso eine Wand befinden wie auch ein normaler Raum. Ludmilla erklärte es auch nicht, sondern ging auf den Vorhang zu.
Jetzt hielt Lady Sarah nichts mehr auf ihrem Platz. Sie warf einen letzten Blick auf die Karten, die völlig normal vor ihr lagen. Für die Horror-Oma waren es die Karten des Unheils. Sie konnte ihnen nichts Positives mehr abgewinnen, nur noch das Grauen.
Die Russin ging staksig weiter. Sarah Goldwyn dachte an die Warnung, die sie durch den Mund der anderen erfahren hatte. Der Tod lauerte, und vielleicht wusste die Russin, wo dies geschah. Hinter dem Vorhang, hinter dieser Wand aus Stoff, die unbeweglich stand. Kein Luftzug berührte die einzelnen bis auf den Boden hängenden Falten.
»Lassen Sie es lieber sein!« warnte Sarah.
»Nein. Ich muss nachsehen. Ich bin Rasputin verpflichtet. Ich kann ihm vertrauen. Ich allein!« Nach diesen Worten griff sie zu.
Die fünf Finger der Hand fassten in eine der Falten, krallten sich regelrecht darin fest, und es wirkte so, als wollte die Russin den Vorhang mit einem einzigen Ruck öffnen.
Das geschah nicht.
Als sie zog, tat sie es sehr langsam, fast im Zeitlupentempo. Unter der Decke erklang ein leises Geräusch, als die Rollen über die Befestigungsschiene glitten.
Lady Sarah sah einen Spalt, der sich geöffnet hatte, und sie hörte den erstickten Laut der Russin.
Sarah Goldwyn starrte auf Ludmillas Rücken. Sie sah, wie die Russin zitterte, als würde sie Schläge von unsichtbaren Stöcken erhalten.
Das Zittern pflanzte sich fort, wurde zu einem Beben, das an den Füßen begann und erst an ihrem Kopf endete.
Was hinter dem Vorhang lag, hatte Sarah Goldwyn nicht erkennen können. Die Dunkelheit war zu dicht, aber sie entdeckte plötzlich das grüne Leuchten in Schulterhöhe der Frau.
War das der Erfolg?
»Was ist denn?« flüsterte die Horror-Oma.
Die Russin gab keine Antwort. Sie drehte sich nur sehr, sehr langsam um.
Sarah Goldwyn konnte das Motiv dieses grünen Flecks in Schulterhöhe nicht erkennen. Zwar hatte sie einen Verdacht, aber den wollte sie sich bestätigen lassen, und sie bekam ihn bestätigt, als sich Ludmilla Prokowa ganz umdrehte.
In ihrer rechten Schulter steckte Baals Opferdolch!
***
Lady Sarah hatte das Gefühl, einen Treffer in den Magen erhalten zu haben. Sie war einfach nicht mehr in der Lage, etwas zu sagen, aber sie wusste, dass all die Dinge, über die sie bisher nur theoretisiert hatten, nun zu Tatsachen geworden waren.
Baal, der Götze, griff ein!
Nein, er hatte schon eingegriffen, denn sein Opferdolch, von ihm und Rasputin geleitet, steckte bis zum Heft in Ludmillas Schulter.
Sie ging trotzdem weiter, auch wenn ihr Gesicht vom Schmerz verzerrt war. Den Mund hielt sie halb offen.
Die Angst lag wie ein
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