0405 - Mit Blut geschrieben
er sich wieder meldete.
Das dauerte nicht einmal lange. »Mit Blut geschrieben!«, hauchte die Stimme wieder. »Mein Testament ist mit Blut geschrieben worden. Du bist gekommen, um es zu finden. Du hast den richtigen Ort erwählt. Mein Testament befindet sich in diesem Kloster. Ich habe es hier geschrieben und das zu Papier gebracht, was mein Leben ausmacht. Viele meiner zahlreichen Geheimnisse decke ich darin auf. Ich weiß, welche Kräfte das Leben leiten. Ich bin eingegangen ins Jenseits, aber ich bin nicht ausgeschaltet.«
»Wo befindet sich dein Testament?«
Ich hatte die Frage gestellt und hörte sein Lachen. »So einfach ist es nicht, John Sinclair. Nicht jeder kann hingehen und es an sich nehmen. Man muss Bedingungen erfüllen.«
»Welche?«
»Hast du die Karten?«
Verdammt, die hatte ich nicht, sondern Lady Sarah. »Leider trage ich sie nicht bei mir.«
»Das ist schlecht, denn Hesekiels Karten weisen dir den Weg zu meinem Testament. Nur die Karten, Sinclair, die Magie des Tarocks. Hesekiel und der Götze Baal waren Feinde, aber die Karten hatten die Verbindung zwischen ihnen hergestellt. Hast du den Dolch bei dir?«
»Ja.«
»Das ist gut. Dann wirst du dich auch befreien können.«
»Ich werde bewacht.«
»Vergiss die Menschen, Sinclair. Denk an Baals Opferdolch. Kann er nicht den Fels zerschneiden, die Wände verglühen lassen? Hast du das nicht schon einmal mit eigenen Augen gesehen?«
Ich erinnerte mich an das Krematorium und nickte. »Ja, es wurde mir bewiesen.«
»Deshalb musst du auch hier an seine Kraft glauben, die dir die Befreiung gibt.«
Ich konnte nichts dagegen sagen. Mich wunderte nur, dass dieser Geist dies alles für mich tun wollte, und danach fragte ich ihn.
»Weshalb willst du mir helfen?«
»Ich habe lange genug im Zwischenreich dahinvegetiert. Während ich noch lebte, habe ich geforscht. In diesem Kloster saß ich, um über den Sinn des Lebens und des Todes nachzudenken. Ich wollte den Tod überlisten und fand Kontakt zu Baal. Nur er kann mich befreien. Deshalb will ich, dass er zu mir kommt.«
»In dieses Kloster?«
»So ist es!«
Ich musste schlucken. Was Rasputin da sagte, klang zwar wie der helle Wahnsinn, war aber bei längerem Nachdenken nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen. Er hatte zu seinen Lebzeiten den Kontakt zu Baal gesucht. Jetzt war er abgebrochen. Nun wollte Rasputin oder sein Geist die Brücke finden, die ihn wieder zu diesem Götzen hinführte.
Das war nun mal der grüne Opferdolch.
Um den Kontakt herstellen zu können, brauchte er mich gewissermaßen als Helfer.
Allmählich durchschaute ich den Plan und war noch im Nachhinein froh, dass es mir gelungen war, Akim Samaran den Opferdolch abzunehmen. »Ich bin einverstanden und verlasse mich auf dich!«, erklärte ich.
»Gut, dann werden wir beginnen!«, drang die flüsternde Stimme aus meinem Kreuz, und das genau brachte mich auf einen Gedanken, den ich in eine Frage kleidete.
»Du bist ein Abtrünniger des Glaubens, Rasputin. Wie ist es dann möglich gewesen, dass du dich auf dem von Hesekiel geschaffenen Kreuz gezeigt hast? Das Kreuz dient dem Guten. Die vier Haupterzengel haben es nicht nur geweiht, sondern auch ihre Zeichen hinterlassen. Gib mir jetzt und hier die Antwort.«
Da lachte er. Und dieses Lachen trieb mir einen kalten Schauer über den Rücken, weil es so siegessicher klang. »Deine Gedanken drehten sich nur in eine Richtung, und das genau ist dein Fehler. Du solltest anders denken. Wie du weißt, liegen Gut und Böse dicht beieinander. Manchmal ist die Grenze fließend. Dein Kreuz ist dem geweiht worden, zu dem ich anfangs auch stand, aber ich will dir etwas mitteilen, das du längst weißt. Es gibt eine Stelle auf deinem Kreuz, die wurde von einer anderen Kraft angegriffen, und dieser Angriff war sehr erfolgreich. Da hat die Hölle zugeschlagen und das weggenommen, was einmal dort gestanden hat. Diese Zeichen sind etwas Besonderes gewesen, ich weiß das. Nun sind sie verschwunden, und für gewisse Kräfte ist diese Stelle frei geworden. Deshalb konnte ich die Spur aufnehmen und mich dort zeigen. Dagegen können selbst deine großen Beschützer nichts tun. Du musst dich damit abfinden, dass dein Kreuz einen Schwachpunkt hat.«
Es waren harte, gleichzeitig auch erklärende und irgendwie beruhigende Worte. Ich hatte zu lange darüber nachgedacht, wie es Rasputin gelungen sein konnte, an mein Kreuz zu gelangen.
Jetzt wusste ich es.
»Zufrieden?«, fragte er
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