0405 - Mit Blut geschrieben
falls Sie nicht davon ausgehen, dass Ascharow von einem seiner Kameraden ermordet worden ist.«
»Kommen Sie mir nicht wieder mit diesem Geist!«
»Doch, damit komme ich Ihnen. Damit muss ich Ihnen kommen. Es gibt keine andere Möglichkeit. Dieser Geist ist der des Magiers Rasputin. Er kam aus einem Zwischenreich zurück und…«
»Hören Sie auf!«, brüllte der Oberst. »Wer glaubt denn einen solchen Mist, verdammt!«
Golenkow streckte seinen Arm aus. Der Zeigefinger zeigte wie eine Speerspitze auf den kleineren Oberst. »Sie müssen das glauben. Sie ganz allein. Haben Sie verstanden?«
»Vielleicht.«
»Nicht nur vielleicht, sondern…«
Eigentlich hätte die sanfte Art des Vorgesetzten Wladimir warnen müssen, aber er achtete nicht darauf und sprach so lange weiter, bis der Oberst eine seiner Beutewaffen zog und die Mündung auf den KGB-Agenten richtete. »Es reicht!«
Wladimir verstummte. Sein Gesicht hatte eine rote Farbe angenommen. »Wollen Sie mich jetzt mit einer geweihten Silberkugel erschießen? Damit ist diese Waffe nämlich geladen.«
Tschigin hob die Schultern. »Wenn Sie mir keine andere Wahl lassen, werde ich abdrücken!«, drohte er. »Was Sie mir an den Kopf geworfen haben, reicht für den Kerker. Und da kommen Sie rein. Sie werden mit Ihren Westfreunden zusammen abgeurteilt und…«
»Darf ich noch eines sagen, Oberst?«
»Ungern.«
»Falls es Ihnen wirklich gelingt, mich vor ein Gericht zu stellen, werde ich natürlich auspacken müssen.«
»Tun Sie das ruhig.«
»Ich kenne da ein Mädchen. Die meisten sagen Natascha zu ihr, denn sie hat mehrere Freunde. Mir hat mal jemand berichtet, dass sie noch schärfer wäre, als es Katharina die Große damals gewesen ist. Und dieser Jemand kannte Natascha gut. Er wusste auch, dass unter anderen ein gewisser Oberst Tschigin bei ihr verkehrt hat. Natascha soll ihn weich bekommen haben. In ihren Armen und unter ihren streichelnden Händen wurde dieser Oberst zu Wachs.«
Tschigin war blass geworden. Sein rechter Arm sank nach unten.
Die Mündung der Waffe wies auf die Schreibtischplatte, und Wladimir war noch nicht am Ende.
»Ich tue es nicht gern, Oberst. Aber Sie lassen mir keine andere Wahl. Es wäre doch nicht gut, dass man diese Natascha vor ein Gericht zerrt. Gerade wo unser Vorsitzender mit seiner Aktion saubere Sowjetunion beginnt. Käme Ihnen das tatsächlich alles so gelegen, Oberst? Wahrscheinlich würden wir beide uns dann in Sibirien wiedertreffen. Drei Monate im Jahr eisfrei. Herrlich, nicht?«
»Hören Sie auf, verdammt!« Auf Tschigins breitem Gesicht waren Schweißperlen erschienen. Er holte tief Luft. »Was, zum Henker, wollen Sie, Golenkow?«
»In Ruhe arbeiten.«
»Das können Sie.«
»Nicht, wenn Sie sich einmischen, Genosse Oberst. Dieser Fall ist anders als die übrigen, das will ich Ihnen sagen. Sie müssen die Existenz geheimnisvoller Kräfte schon in Kauf nehmen. Auch der Tod eines der Schüler geht auf das Konto eines Dämons.«
»Rasputin, wie?«
»Ich nehme es an.«
Tschigin lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, unterdrückte sie aber, als er an Natascha dachte. Er steckte die Waffe wieder ein.
»Und Sie wissen eine Möglichkeit, wie man diesem Dämon an den Kragen gehen kann?«
»Nicht genau, aber es gibt da den Engländer, den Sie als Spion verdächtigen.«
»Was soll ich?«
»Lassen Sie die drei frei, Genosse Oberst. Wenn es jemand schaffen kann, dann diese Leute. Man nennt ihn nicht umsonst den Geisterjäger. Er versteht sein Geschäft. Wie oft soll ich das noch wiederholen? Dieser Mann und sein Kollege Suko.«
»Still!« Tschigin hatte laut gesprochen und huschte um seinen Schreibtisch herum. Er wollte die Tür öffnen, denn er hatte auf dem Gang die lauten Rufe vernommen.
Die Tür schwang nach innen.
Nicht von Tschigin geöffnet, sondern von einem Soldaten, der seinen Chef hatte besuchen wollen. Der Mann war kalkweiß im Gesicht, das Grauen stand in seinen Augen.
Tschigin schüttelte ihn durch. »Was, verdammt noch mal, ist mit Ihnen los?«
»Genosse Oberst. Der Engländer ist frei. Und mein Freund, mit dem ich Wache hatte, ist…«
Wladimir Golenkow konnte sich vorstellen, dass Schreckliches passiert war. An den beiden Männern huschte er vorbei durch die offene Tür, erreichte den Gang und rannte dorthin, wo die Zellen der ehemaligen Mönche lagen.
***
Die Wachtposten waren darauf getrimmt, sofort zu schießen, das wusste ich, und ich sah ihre Finger, die an den Abzügen lagen. Ein
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