0406 - Finale in der Knochengrube
sehen.«
Lady Sarah freute sich diebisch, dass sie wieder einmal ihren Kopf durchgesetzt hatte. Die drei waren gefahren und hatten sie im Dorf zurückgelassen, wo sie zwar eine Fremde war, sich aber nie fremd vorkam, denn die Leute waren sehr nett zu ihr.
Jemand hatte sie mal als ein kleines Genie bezeichnet, denn die Horror-Oma beschäftigte sich in ihrer Freizeit mit sehr vielen Dingen. So hatte sie vor einigen Jahren einen Russisch-Sprachkurs besucht und einiges davon noch behalten. Jetzt, wo es darauf ankam, kramte sie die Brocken wieder hervor und erkundigte sich, wo sie die Familie Karpow finden konnte.
Ein kleines Mädchen brachte sie hin. Die Karpows wohnten in einem schmalen Haus, an das eine Scheune angebaut worden war. Ein Mann stand dort und verteilte Rüben auf dem Boden. Als er Lady Sarah sah, erhob er sich aus seiner gebückten Haltung und schob die Schiebermütze in den Nacken. Aus dem Hintergrund näherte sich eine dralle Frau mit einem bunten Tuch auf dem Kopf, das ihre Haare völlig verdeckte. Wind wehte der Horror-Oma entgegen und drang durch die Kleidung.
Lady Sarah grüßte sehr freundlich und erntete dafür ein Lächeln zurück.
Dann formulierte sie ihren Wunsch. Sie wollte etwas über Lara erfahren und über ihr Verschwinden. »Ich komme von sehr weit her.«
»Wieso?«, fragte der Mann.
»Nun, das kann ich nicht genau sagen. Vertrauen Sie mir«, radebrechte sie.
Die beiden schauten sich an. »Wir sind nur die zweiten Eltern«, erklärte die Frau.
»Ich weiß. Was war mit den ersten?«
»Die Mutter ist weg.«
»Wohin?«
»Sie floh in den Westen. Nach England. Dort wollte sie sich niederlassen.«
Diese Aussage konnte Zufall sein, aber Mrs Goldwyn war nicht die Frau, die an Zufälle glaubte. Nein, dahinter musste etwas anderes stecken.
Und zwar eine sehr konkrete Sache, auf die sie das Ehepaar auch ansprach.
»Heißt die wahre Mutter zufällig Ludmilla Prokowa?«
»Ja.«
»Dann kenne ich sie.«
Jetzt waren die beiden perplex. Sie starrten Lady Sarah an wie einen Geist, besprachen sich, bevor der Mann auf eine kleine Bank deutete, auf der Lady Sarah gern Platz nahm.
Natürlich wollten sie wissen, wie es Ludmilla ging, und Mrs Goldwyn musste ihnen leider berichten, dass sie gestorben war.
»Tot?«, hauchte die Frau. Sie wurde blass und bekreuzigte sich.
Auch der Mann verlor alle Farbe aus dem Gesicht. Niemand fragte nach, wieso das hatte geschehen können, doch Mrs Goldwyn fühlte sich einfach verpflichtet, Einzelheiten zu erzählen. Und so sprach sie mit den beiden darüber, wie es zum Tod der Frau gekommen war. Und sie vergaß auch nicht den Namen Rasputin.
Beide nickten. »Sie hatte immer davon gesprochen. Von Rasputin, dem Mönch und Magier.«
»Er war hier?«
»Ja, im Sumpf.«
»Könnte es nicht sein, dass auch Lara etwas über ihn weiß?«
»Nein, nein, sie war noch zu klein, als ihre Mutter verschwand. Ludmilla war von Rasputin fasziniert gewesen. Sie wollte seinen Spuren nachgehen und alles von ihm wissen. Er war auch hier.«
Lady Sarah hatte sich anstrengen müssen, um die Worte verstehen zu können. Auch bei der nächsten Bemerkung tat sie sich schwer. »Ich glaube nicht, dass Lara nichts gewusst hat. Deshalb ist sie auch gegangen.«
»Aber wohin?«
»In den Sumpf.«
»Dort kann sie nicht leben.«
»Ob sie das überhaupt will? Vielleicht wollte sie nur etwas über Rasputin wissen. Möglicherweise ist er ihr erschienen. Als Geist, das geht. Ich habe es erlebt.«
Lady Sarah sah, dass sich die beiden ängstigten, kam deshalb auf ein anderes Thema zu sprechen. »Ich möchte auch in den Sumpf und suche einen Begleiter. Gehen Sie mit, Mr Karpow?« Das Mister rutschte ihr einfach so über die Lippen.
Der Mann erschrak. »Ich soll…?« Seine Frau legte ihm eine Hand auf den Arm, als wollte sie ihn zurückhalten.
»Ich bitte Sie darum.«
»Es ist gefährlich. Bald wird der Nebel aufsteigen.«
»Das kann ich mir vorstellen, aber ich bin nicht allein. Es sind noch drei Freunde von mir hier, die auch nach Lara suchen wollen. Sie kommen von der anderen Seite.«
»Wir haben schon nach ihr gesucht. Sie hat sich nicht gemeldet.«
»Vielleicht tut sie es heute.« Sarah Goldwyn schaute die beiden so treuherzig an, dass dem Mann nichts anderes übrig blieb, als zu nicken und somit seine Zustimmung zu geben.
»Das finde ich toll, wirklich.« Lady Sarah lächelte, aber das Gesicht der Frau blieb sehr besorgt. Sie redete so schnell mit ihrem Gatten, dass Sarah Goldwyn
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