0408 - Der Gespenster-Galgen
Hauptstraße. Er kam an dem Galgenhügel vorbei und warf einen Blick nach oben. Der BMW stand noch da im Gras, und seine Scheinwerfer stachen in die Nacht. Der Galgen war fort.
»Ich find’s irgendwann heraus«, murmelte Mercier und fuhr weiter. Es gab nichts, wofür es nicht eine vernünftige Erklärung gab. Man mußte sie nur finden und um die Ecke denken können.
Als er die Hauptstraße erreichte, entstand neben ihm etwas auf dem Beifahrersitz. Mercier erschrak darüber so, daß er den Wagen fast in den Graben gelenkt hätte. Im letzten Moment konnte er ihn noch abfangen und trat auf die Bremse.
Entsetzt starrte er das Gespenst an, von dem er nicht begriff, wie es in den Wagen gelangt war.
Es war einer jener Schatten, die ihn hatten am Galgen aufhängen wollen…
***
Zamorra konzentrierte sich wieder auf das Amulett und die Beschwörung der Vergangenheitsbilder. Diesmal funktionierte es besser. Der Reporter schien sich also tatsächlich verzogen zu haben.
Während Zamorra ›beobachtete‹, machte Nicole sich Gedanken um Gaston Mercier. Es wäre vielleicht nicht schlecht, sich auch in magischer Hinsicht einmal um diesen Reporter zu kümmern und festzustellen, was es mit dem Potential wirklich auf sich hatte, das ihm eine solch störende Aura verlieh.
Den Mann wiederzufinden, würde relativ einfach sein…
Vorerst aber hielt sie sich in Bereitschaft. Falls es erforderlich war, mußte sie eingreif en können. Sie rechnete mit einer erneuten Attacke der Gegner. Wenn sie sich an dem Reporter vergriffen, warum dann nicht auch an dem Mann, dem sie es zu verdanken hatten, daß ihr ursprüngliches Opfer verschwunden war?
Sie hielt sich in Zamorras Nähe. In der Dunkelheit konnte sie allerdings nicht genau erkennen, was das Amulett zeigte.
Zamorra versuchte, die Amulett-Energien zu verstärken. Aber auch jetzt sah er nur Schatten, die nicht daran dachten, eine feste Gestalt anzunehmen. Er sah, wie der Galgen aus dem Nichts auftauchte, und sah die Unheimlichen, wie sie den Reporter überfielen und heranschleppten - in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge, weil die Beobachtung ja ›rückwärts‹ erfolgte.
Aber mehr war dabei nicht herauszufinden.
Nicht einmal, ob sie lediglich Spukgeister waren oder gut abgeschirmte und getarnte Dämonenwesen. Zamorra versuchte ihr Versteck zu finden, in das sie sich zurückzogen, aber er konnte es nicht finden.
Auch kein Weltentor, durch das sie möglicherweise in eine andere Dimension, ein anderes Universum verschwanden…
Er bemühte sich, noch weiter in die Vergangenheit zu blicken, um festzustellen, was sich im einzelnen ereignet hatte. Aber viel mehr als das bereits Erfaßte sah er nicht mehr. Es war zu viel Zeit vergangen seit dem Mord an Maurice Belcaines…
Schließlich gab der Professor auf. Er löste sich aus seiner Halbtrance und berichtete Nicole, was geschehen war. Sie sah ihn nachdenklich an und nagte an ihrer Unterlippe.
»Was machen wir jetzt?«
»Ich will versuchen, eine Art Bann über diesen Hügel zu legen«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob ich viel damit bewirke, weil ich nicht weiß, von welcher Art unsere Gegner sind. Ich muß den Bann also ziemlich allgemein halten, nicht speziell auf eine bestimmte Art schwarzmagisch geprägter Kreaturen. Das kann die Wirksamkeit beeinträchtigen. Aber vielleicht hilft es schon einmal. Dann werden wir ein paar nette Hilfsmittel aus dem Château holen und in der nächsten Nacht hier gründlich aufräumen.«
Nicole wies auf den Toten.
»Wir werden die Polizei informieren müssen«, sagte sie.
Zamorra nickte. »Das ist ein weiterer Grund für den Bann. Ich werde sowohl den Galgen als auch den Leichnam noch einmal besonders präparieren, damit sie nicht wieder spurlos verschwinden, während wir die Polizei benachrichtigen. Denn mitnehmen möchte ich den Leichnam auch nicht unbedingt. Wir könnten Ärger bekommen. Und so, wie ich diesen Kommissar Fountain einschätze, wäre ihm das sogar ein Vergnügen. Sein Vorgänger hatte wahrhaftig ein ganz anderes Format.«
»Na, dann zaubere mal«, sagte Nicole.
Zamorra benutzte das Amulett erneut. Er versah sowohl das Gelände als auch den Galgen und den Toten mit dämonenbannenden Zeichen. Da er seine magische Ausrüstung, das kleine Aluminium-Köfferchen mit den zahlreichen Gemmen, Pülverchen, Kreiden und anderen Dingen nicht hier hatte, mußte er sich damit begnügen, mit einem Stück Holz die Bannzeichen in den Boden zu ritzen und mit dem Amulett magisch aufzuladen. Um
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