0409 - Raissas Raubtier-Horror
Friedhofdes Landes Aibon gesprochen, als wäre er der natürlichste der Welt. Das wollte mir nicht in den Kopf. Aibon war etwas Besonderes, immer mehr hatten wir damit zu tun, doch von einem Friedhof hatte ich noch nie gehört.
»Wer liegt dort begraben?« erkundigte ich mich.
»Die Tiere des Landes. Sie sind anders als die, die jetzt existieren. Du müsstest sie kennen. In den Legenden und Sagen sind sie noch vorhanden. Die Ungeheuer, die Drachen, die gewaltigen Saurier, die Tiger und Vögel, Panther und Schlangen. Es ist eine ungeheure Welt, die bisher verschwunden war, aber durch den Kometen zurückgebracht wird. Die Menschen wussten instinktiv, weshalb sie sich vor ihm fürchteten. Aber es wird schlimmer kommen, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen vorgestellt haben, das kann ich dir versprechen. Auch du wirst den Lauf des Kometen nicht beeinflussen können. Er ist das Schicksal.«
Längst wusste ich Bescheid. Raissa hatte nicht von irgendeinem Kometen gesprochen, sondern von dem, der jetzt in aller Munde war. Man nannte ihn den Halleyschen Kometen, der angeblich schon der Stern von Bethlehem gewesen sein sollte. Er brachte Unglück, Katastrophen. Astrologen und Wahrsager warnten vor ihm.
Ich hatte zwar gelesen, dass er in Erdnähe vorbeiziehen sollte, mir aber weiterhin keine Gedanken über ihn gemacht. Und auch nicht den letzten Vulkanausbruch in Südamerika mit seinem Erscheinen in Verbindung gebracht, wie ich es vor kurzem noch in einer Illustrierten gelesen hatte.
»Weißt du nun Bescheid, John Sinclair?«
»Dank deiner Hilfe.«
»Dann wirst du auch erkennen, wie hilflos du bist. Du kannst nichts mehr retten. Seine Magie wird den Monsterfriedhof von Aibon in die Gegenwart zurückholen, und du wirst nichts daran ändern können. Die Menschen hier wissen nicht, wo sie leben – und dass sich in ihrer Umgebung etwas befindet, von dem sie bisher nicht einmal eine Ahnung gehabt haben.«
»Du weißt es?«
»Sicher.«
»Und du wirst dabei sein?«
»Auch das.« Sie bewegte sich plötzlich. Bisher hatte ich mich gefragt, weshalb sie den weiten Mantel trug. Nun erhielt ich die Antwort. Sie griff blitzschnell hinein und holte eine lange Lanze hervor, und die Waffe wiederum erinnerte mich an den Drachenblut-Vampir, der sich mit einer ähnlichen verteidigt hatte.
Ich wusste, dass diese Person nicht mehr zögern würde. Es war mir auch egal, dass sich der Panther bei ihr befand und sich schon sprungbereit machte. Ich wollte endlich einen Erfolg sehen und startete.
Dabei holte ich den Bumerang hervor, hatte schon den Arm nach hinten gestreckt, als sich Raissa gedankenschnell bewegte, mit der Lanzenspitze einen Kreis schlug und mich somit erfasste, bevor ich ausweichen konnte.
Ich spürte den Ansturm einer fremden Macht. Es war Magie in konzentrierter Form.
»Dein Grab wird auf dem Friedhof sein!« hörte ich noch Raissas triumphierende Stimme, dann packte mich der Sog, und ich verschwand ebenso wie das Mädchen und der Panther vor den Augen der Zuschauer und meines Freundes Suko.
***
Wie hatte man die Druiden genannt? Die Eichenkundigen. Und von hohen, wuchtigen, starken Eichen sah ich mich umgeben. Ich stand unter den kahlen Ästen und Zweigen, die Dächer bildeten, ohne jedoch schützend zu wirken, und ich fühlte mich allein.
Keine Spur von Raissa, dem Panther oder von der Umgebung, in der ich beide getroffen hatte.
Befand ich mich in Aibon? Hatte ich eine magische Reise hinter mich gebracht?
Nein, die Welt war noch die unsere. Nur musste ich mich indem Gebiet aufhalten, von dem Raissa gesprochen hatte und das den Monsterfriedhof in sich barg.
Entdecken konnte ich von ihm nichts. Keine Spur wies auf ihn hin. Weder ein Hügel, eine Vertiefung noch ein Grabstein ließen darauf schließen, dass sich in der Erde etwas Grauenvolles verbarg.
Und trotzdem glaubte ich daran. Raissa hatte es nicht nötig, mich anzulügen. Sie hatte ihre Worte gut und sorgfältig ausgewählt. Aber sie war verschwunden, ich konnte sie nicht fragen, obwohl ich sicher war, sie irgendwann wiederzusehen.
Der Eichenwald nahm nicht die gesamte Blickebene ein. Zudem war er einfach zu licht, als dass ich ihn als einen normal gewachsenen Wald angesehen hätte. Es gab genügend Freiräume zwischen den einzelnen Stämmen, und weiter vorn ging er über in eine flache, schüsselartige Ebene.
Dorthin lenkte ich meine Schritte.
Das Licht konnte man als eine graue Mischung ansehen. Der Tag hatte sich noch nicht verabschiedet, und
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