041 - Die Tür mit den 7 Schlössern
Flucht durch das Fenster. Das Gitter, das die Dachluke versperrte, hatte sie vergessen. Sie packte den Riegel der Scheibe, doch jäh fuhr sie zurück. Hinter den Eisenstäben auf dem Dach erschien ein Gesicht, das auf sie herabstarrte - totenbleich, von Schweißtropfen überperlt ...
20
Da Inspektor Sneed Didks Meinung teilte, daß seine unbekannten Gegner ein zweites Attentat auf sein Leben nicht versuchen würden, nachdem das erste so schmählich mißglückt war, hatte er die Posten aus Dicks Wohnung zurückgezogen. Sie kam dem jungen Mann daher bei seiner späten Heimkehr merkwürdig leer und unbewohnt vor. Er war am Nachmittag in der Bibliothek gewesen - als Leser, wie er vorgab, in Wahrheit aber, weil es ihn drängte, Sybil wiederzusehen. Eine Enttäuschung harrte seiner. Sie war fortgegangen. Eine Dame habe sie in einem Auto abgeholt, erzählte ihre Kollegin.
Er nahm nun ein Buch aus dem Schrank und versuchte zu lesen. Aber seine Aufmerksamkeit haftete nicht an den Worten. Alle Buchstaben formten sich zu Sybils Namen, und seine Gedanken liefen fortwährend im Kreise um das Geheimnis der sieben Schlösser, in das Sybil verstrickt war. Endlich befiel ihn eine sanfte Müdigkeit, so daß er auf erquickenden Schlaf hoffen durfte. Er stellte das Telefon wieder in sein Schlafzimmer und begab sich zu Bett. Einen Augenblick fiel ihm das Ungetüm ein, das ihn beinahe in seinen Kissen erwürgt hätte, und ein kalter Schauder durchrieselte ihn. Er hob seine Hand zur Lampe, aber er zog sie wieder zurück. Keinesfalls durfte er seine Nerven zu Herren seiner Vernunft werden lassen. Er schloß die Augen und überließ sich einem Zustand zwischen Wachen und Dämmern.
Da fuhr er hoch. Das Telefon klingelte aufdringlich dicht neben seinem Ohr. Er griff zum Hörer und schaltete mit der anderen Hand das Licht ein. »Halloh!« meldete er sich.
»Ferngespräch! Bleiben Sie am Apparat«, erwiderte eine dünne Stimme.
Er wartete. Ein Knacken ging durch die Leitung. Dann wurde alles still. Doch da »M-ö-r-d-e-r ... H-i-1-f-e ... M-ö-r-d-e-r«, schrie es auf und wieder: »H-i-1-f-e ... er ist da ... er läßt mich ermorden ...«
Dicks Hand, die den Hörer festhielt, bebte. Sein ganzes Wesen drängte zum Beistand. Hier lag er hilflos, viele Meilen vom Schreckensort entfernt, und mußte alles mit anhören.
»Wer ist am Apparat?« fragte er heiser.
Keine Antwort.
»Wer spricht?« rief er lauter. »Mein Gott, antworten Sie doch! Wie soll ich Ihnen sonst helfen?«
Keine Antwort. Und doch .
Die Antwort war ein Schrei, ein dumpfer Schlag, ein langgezogenes Stöhnen.
»Wer sind Sie?« schrie Dick, den die Aufregung schüttelte.
»Wer sind Sie? Von wo telefonieren Sie?«
Plötzlich war wieder die Stimme da. Sie lallte ein Wort. Das Wort wurde zum Schrei, wie in letzter Todesnot hervorgepreßt, und in schrillem Aufschluchzen endend. Dann entfernte sich die Stimme, als würde sie gewaltsam vom Apparat getrennt. Nur erstickt klang sie an Dicks Ohr.
»Rührt mich nicht an! Ich war - mit der Polizei verbunden Ich liefere euch aus! H-i-1-f-e! H-i-1-f-e!«
Ein Knall unterbrach die Schreie. Danach war Grabesstille.
Dick trommelte auf die Gabel. Nach einigen Sekunden, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, meldete sich das Fernamt.
»Können Sie feststellen, woher der Fernruf kam?«
»Ich glaube aus Sussex«, erwiderte die Beamtin. »Haben Sie besondere Gründe, eine solche Feststellung zu wünschen?«
»Die dringendsten! Es war ein Hilferuf. Jemand, der mich kennt, muß überfallen worden sein!«
»Ihr Name, bitte!«
»Dick Martin von Scotland Yard.«
»Ihr Amt und Ihre Nummer?«
Dick nannte sie.
»Danke sehr. Sie können auflegen. Wir rufen an.«
Dick Martin legte den Hörer nieder und sprang aus dem Bett. Er hatte ein feines Unterscheidungsvermögen für Trug und Wahrheit. Er wußte, hier hatte ein Mensch in höchster Todesnot zu ihm gesprochen. Die Stimme konnte er vorerst mit keiner Person in Verbindung bringen, obwohl sie ihm bekannt vorkam. Er schnürte gerade an seinen Halbschuhen, als sich das Telefon wieder meldete.
»Hier Fernamt. Der Anruf kam aus South Weald, Sussex!«
Dick stand einen Moment wie versteinert.
Wie in einem elektrischen Transparent flammten Buchstaben vor ihm auf und bildeten ein Wort: ›Cody‹.
Cody war der Pächter von South Weald House. Er hatte mit ihm gesprochen. Er mußte gehofft haben, daß seine Verbindung mit dem gefürchteten Detektiv die Mörder von dem Schlimmstem abhalten würde. Aber
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