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041 - Die Tür mit den 7 Schlössern

041 - Die Tür mit den 7 Schlössern

Titel: 041 - Die Tür mit den 7 Schlössern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sofort. Die eigenartige Stimmung, in der sie sich befand, gab ihr eine wunderbare Sicherheit. Das Tor flog auf, doch als sie es schließen wollte, hörte sie aus der Tiefe der Gruft ein scharrendes Geräusch. Da ließ sie es offenstehen und warf den Schlüssel ins Gras. Wie im Traum trugen sie ihre Füße von dannen. Sie blickte nicht rechts, nicht links. Sie schaute nicht nach dem Riesen. Ein unbeirrbarer Instinkt sagte ihr, daß sich das furchtbare Geheimnis, in das sie verwickelt war, jetzt gleich für sie lichten würde. Das gab ihr Flügel und lieh ihr die Sicherheit einer Schlafwandlerin, so daß sie den Pfad durch den Wald, den Hügel abwärts und den Weg zum Pächterhaus fand, ohne nur ein einziges Mal in die Irre zu gehen.
    Als der Wald hinter ihr lag, richtete sich ihr Blick empor, und sie sah eine schwache Röte im Osten. Der kommende Tag färbte bereits den Himmel. Oh, wenn es nur erst Morgen wäre, betete sie in ihrem Herzen.
    Diesen Weg war sie vor zwei Tagen mit Dick Martin gegangen. Eine Welt des Grauens lag dazwischen. Dick Martin! Unwillkürlich blieb sie stehen, und das Gefühl überwältigender Sehnsucht durchbebte sie schmerzhaft. Hatte sie sich nicht auch gegen ihn vergangen, als sie sich von Mrs. Cody in die Falle locken ließ? Wenn sie es sich zum Grundsatz gemacht hätte, nichts zu tun, ohne ihn erst um Rat zu fragen, so hätte sie diese grausige Nacht nie erlebt. Oh, sie war gar nicht mehr stolz, Sybil Lansdown, sie sehnte sich demütig nach dem Halt eines starken Arms!
    Inzwischen hatte sie den Gutshof erreicht. Da klirrte plötzlich eine Kette, und der Hund sprang mit wildem Gekläff in die Höhe.
    Einen Augenblick schrak sie zusammen. Dann entspannten sich ihre Nerven. Der vertraute Ton einer realen Welt gab ihr Mut und Zuversicht zurück. Sie blieb stehen, pfiff leise und sprach mit dem Tier wie mit einem alten Bekannten. Dann näherte sie sich furchtlos der Hütte. Das wütende Bellen des Hundes erstarb. Durch gekrauste Nüstern sog er die Luft ein. Da streckte sie ihre Hand aus, damit er ihren Geruch in sich aufnehmen und erkennen konnte, daß sie kein feindliches Wesen war. Als sie wieder mit ihm sprach, rieb der Hund zutraulich seinen Kopf an ihren Knien. Liebkosend streichelte sie sein dichtes Fell und fühlte ihn unter ihrer Hand freudig erbeben. Wahrscheinlich war er bisher nicht durch Zärtlichkeit verwöhnt worden. Ruhig ließ er zu, daß sie seine Kette von der Hundehütte löste und sie ergriff. Er wedelte mit dem buschigen Schwanz und zog sie, froh über die unerhoffte Freiheit, mit sich. Sie überließ sich willig seiner kundigen Führung, und je näher sie dem Herrenhaus kam, desto mehr wich das Grauen von ihrer Seele.
    Sie stieß zunächst auf den Seitenflügel des Schlosses, das mit dunklen Fenstern schweigend im Morgengrauen lag. Ein gepflasterter Weg, den zu beiden Seiten Blumenbeete einfaßten, lief an der Hausfront entlang. Als sie ihre Schritte auf den Zementplatten knirschen hörte, ging sie am Rand des Beetes entlang, um jedes Geräusch zu vermeiden. Der Hund lief neben ihr her. Zuweilen grub er die Schnauze, neugierig schnüffelnd, in die gehäufelte Erde. Doch plötzlich hob er den Kopf und witterte argwöhnisch. Dann ließ er einen dunklen, knurrenden Laut hören und fletschte die Zähne. Seine Augen funkelten, seine Nase richtete sich drohend gegen das Haus, während die gespitzten Ohren senkrecht am Kopf standen.
    Im gleichen Augenblick erhellte sich ein Fenster des Erdgeschosses. Sybil packte den Hund fester. »Still«, flüsterte sie, ihn befehlend anblickend. Sie trat auf das Beet, das zum Haus hin anstieg. Sie konnte bequem durch das Fenster blicken, das durch keinen Vorhang verdeckt war.
    Sie schaute in einen hohen, bis zur Decke getäfelten Raum, in dessen Mitte ein schwerer, eichener Tisch stand. Und auf dem Tisch - ihre Hand flog zum Mund, um den Schrei des Staunens zu ersticken - blakte die Petroleumlampe, die noch eben die Totengruft der Selfords so schauerlich erhellt hatte.
    Erst schien das Zimmer leer zu sein, dann bewegte sich etwas in der Nähe des offenen Kamins aus geädertem Marmor, und plötzlich trat ein menschliches Wesen, anzusehen wie ein Höhlenmensch der Urzeit, in den Lichtkreis der Lampe. Er war überlebensgroß, aber in vollkommener Symmetrie gebaut; unter seiner bronzenen Haut spielten die Muskeln, die sich auf seinen Armen wie Taue wulsteten. Langes gelbes Haar fiel ihm wie eine Löwenmähne über die Schultern, und ein dichter

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