0410 - Blonder Köder für den G-man
einräumen, dass meine Chancen keinen Penny wert waren.
Warum schoss er nicht einfach? Es war ihm wahrscheinlich zu gefährlich; vielleicht hätte man den zweiten Schuss doch irgendwo gehört. Und Gaillard konnte sich ja ausrechnen, dass ich nicht ewig in dieser Position bleiben konnte.
»He, was ist da oben los?«, schrie in diesem Moment eine männliche Stimme von der Bühne zu uns herauf.
Gaillard hielt inne. Ich hörte sein keuchendes Atmen.
Ich blickte durch das Gittergeflecht des Brückenbodens nach unten, konnte aber niemanden sehen. Wahrscheinlich stand der Mann irgendwo zwischen den Kulissen.
»Rufen Sie sofort die Polizei«, schrie ich.
Ein scharfer, gezielter Fußtritt Gaillards war die Antwort. Mein Schädel brummte.
»Okay, halten Sie aus«, kam es von unten herauf. Dann ertönten Schritte, die sich rasch entfernten.
Gaillard war kein Dummkopf.
Er wusste, dass ihm nur Sekunden blieben, schließlich brauchte er mehr als eine Minute zur Flucht.
Bisher hatte er darauf verzichtet, seine Pistole ein zweites Mal in Aktion zu setzen, aber jetzt blieb ihm kaum eine andere Möglichkeit.
Es war klar, dass die Kugel mich tödlich treffen würde.
Sollte ich nicht doch lieber versuchen, mich von der Brücke fallen zu lassen? Die Aussichten, sich dabei das Genick zu brechen, waren zwar so hervorragend, wie Gaillard sie einschätzte, aber es bestand auch eine schwache Chance, mit ein paar Knochenbrüchen davonzukommen.
In diesem Moment bückte sich Gaillard. Er packte mich an wie einen Mehlsack und warf mich herum.
Die Aktion kam so schnell, sie wurde mit so viel Kraft und Geschick ausgeführt, dass ich nicht mehr reagieren konnte. Im nächsten Moment hing ich in der Luft. An einem Arm.
Mit der linken Hand krallte ich mich am Rande des eisernen Brückenbodens fest; die harte, scharfe Kante war leicht zu umfassen, aber sie schnitt scharf in die Haut ein.
Gaillard stand über mir, laut atmend, ein triumphierendes, teuflisches Glitzern in den Augen. Er wusste, dass er gewonnen hatte.
Langsam setzte er den Absatz auf meine Hand.
Ich schloss die Augen. Der Schmerz war so groß, dass er ein Ventil suchte. Ich wollte schreien, aber irgendeine Kraft verschloss mir den Mund. Ich merkte nur, wie sich plötzlich ein paar Tränen aus meinen Augen lösten, Tränen des Schmerzes.
Ich hatte ein Gefühl, als sei die linke Hand von der scharfen Kante und dem Fußdruck in Streifen geschnitten worden, aber die Finger hielten noch immer fest.
Gaillard rannte davon.
Er wusste, dass ich nicht mehr die Kraft hatte, mit einer Hand einen Klimmzug zu machen. Er wollte nicht warten, bis sein Fluchtweg abgeschnitten wurde.
Seine Schritte dröhnten auf der Scheinwerferbrücke. Dann knallte die Eisentür hinter ihm zu, und ich war allein.
Der Schmerz in der linken Hand hatte einen Punkt erreicht, an dem ich ihn nicht mehr spürte. Ich wusste jedoch, dass bei der geringsten Bewegung eine neue Welle reißender Schmerzen, durch meinen Körper gehen würde.
Ich versuchte, ganz ruhig zu atmen und zu vergessen, dass mit jeder Sekunde, die verstrich, die Kraft meines Armes mehr und mehr erlahmte.
Rings um mich herum war es totenstill. Dann wurden auf der Bühne Schritte laut.
»He, ist da oben noch jemand?«
»Ja«, krächzte ich. »Schnell.« Mehr bekam ich nicht heraus.
Selbst das Sprechen kostete Anstrengung.
»Die Tür ist abgeschlossen, ich kann nicht rauf! Was ist denn eigentlich los?«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Gaillard hatte gute Arbeit geleistet. Er musste wie der Blitz nach unten gerast sein und es geschafft haben, die Tür zu verschließen.
»He, können Sie nicht antworten?«, schrie der Bühnenarbeiter von unten herauf.
Ich sagte nichts. Ich brauchte jetzt auch die letzte, kleinste Kraftreserve.
Der Mann auf der Bühne schien zu wittern, dass über ihm ein Mensch in Gefahr war; jedenfalls brüllte er: »Warten Sie, ich hole den Zweitschlüssel!«
Ich konnte nicht länger warten.
Ich musste endlich versuchen, mich durch einen Klimmzug zu retten. Normalerweise ist es nicht allzu schwierig, mit einem Arm eine solche Übung zu machen - aber mit einer Schussverletzung in der rechten Schulter und einer zerschundenen Hand sehen die Dinge ein wenig anders aus.
Ich biss die Zähne zusammen und zog mich in die Höhe.
Es war, als ob sämtliche Adern zu platzen drohten, aber dann hatte ich es geschafft. Keuchend und halb betäubt blieb ich auf dem Eisengitter liegen. Eine volle Minute lang. Dann fühlte ich
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