0410 - Tödliche Perücken
gewesenen Gesichter hatten einen gespannten Ausdruck angenommen. Lippen waren zusammengepresst, sie atmeten nur noch durch die Nase, und manche schluckte hart.
Sabre hatte die Treppe bereits hinter sich gelassen und war vor einer Tür stehen geblieben. Ein Lampenring beleuchtete die Stelle vor der Tür und warf das violett schimmernde Licht auch auf ihn, sodass seine Haut noch fahler wirkte.
»Ihr werdet etwas sehen, das ich noch keinem vor euch so präsentiert habe,« erklärte er. »Es ist völlig neu. Ich habe lange geforscht und überlegt. Meine gesamte Kraft habe ich in die Entwicklung gesteckt. Meine Arbeit, meine Fantasie, mein Wissen. Es war wunderbar, kann ich euch sagen, und ich musste einfach Menschen haben, denen ich meinen Erfolg präsentieren konnte. Euch. Ihr dürft stolz sein!« Sabre hatte tatsächlich so gesprochen, als würde er fest an seine Worte auch glauben. Die Mädchen hielten sich da zurück.
Keine von ihnen gab einen Kommentar ab.
Sabre drehte sich und schloss die Tür auf. Er ließ sie noch zu, ballte die Hände, lächelte den Girls zu und zog behutsam die Tür auf. Als Erster verschwand er in dem dahinterliegenden Raum. Ein Mädchen hüstelte. Keine von ihnen traute sich, einen Fuß über die Schwelle zu setzen, doch Sabre gefiel das überhaupt nicht. Er hatte sich gedreht und winkte ihnen zu.
»Kommt endlich, ihr Süßen!«
Da betraten sie den Raum. Zögernd, vorsichtig, bereit, sich sofort wieder umzudrehen und zu verschwinden.
Aber die Furcht fiel von ihnen ab, denn sie fühlten sich an ihren Arbeitsplatz zurückversetzt. Der Kellerraum war als Garderobe und gleichzeitig als Frisiersalon eingerichtet, wenn auch nicht so modern wie in ihrem Laden, aber man konnte sich schon wohl fühlen.
Der Gang zwischen den Tischen, Spiegeln und Plakaten war nur so breit, dass kaum zwei Personen nebeneinander stehen konnten.
Mit seinem Körper verdeckte Sabre die Perücken. Er bat Lydia, die Tür zu schließen.
Das tat sie und hatte gleichzeitig eine Frage. »Es fehlt noch jemand?«
Sabre lächelte. »Leider konnte Lisa nicht kommen. Sie ist krank geworden.«
Die Mädchen sahen sich betroffen an. Bevor eine von ihnen weiterfragen konnte, fuhr Lucien schnell fort: »Keine Sorge, es ist nichts Ernstes, glaubt mir. Jetzt wollen wir Lisa vergessen.« Er trat einen Schritt zur Seite, sodass die Mädchen freies Blickfeld hatten. »Was seht ihr dort?« fragte er.
Keine von ihnen antwortete. Sie waren einfach zu überrascht, so etwas völlig Normales zu sehen. Bis Harriet die Schultern anhob und sagte: »Das sind ja Perücken!«
»Stimmt, es sind Perücken!«
»Und das ist so außergewöhnlich?« Dora lachte leise. »Kann ich mir nicht vorstellen.«
Die anderen Mädchen stimmten ihr zu.
»Ich habe sie erfunden,« erklärte Lucien flüsternd. »Jede ist anders, und jede ist für euch gemacht. Ihr werdet sie aufsetzen, das ist meine Überraschung.«
»Und dann?«
»Arbeitet ihr weiter.«
Lydia drängte sich vor und machte sich zur Sprecherin der anderen vier Mädchen. »Wir verstehen das nicht. Um uns diese Perücken zu zeigen, hätten Sie doch nicht einen so großen Wirbel zu machen brauchen, Chef. Entschuldigen Sie, aber diese künstlichen Haarteile sind nicht einmal alle originell.«
»Das weiß ich.«
»Und?«
»Trotzdem sind sie etwas Besonderes, meine Lieben. Ichmöchte euch bitten, sie aufzusetzen. Erst wenn das geschehen ist, sehen wir weiter. Dann werdet ihr es merken.« Er schaute Lydia direkt an.
»Willst du den Anfang machen?«
Plötzlich fühlte sich das Mädchen unbehaglich. Ein Schauer rann über Lydias Rücken. Sie kannte den Grund nicht. War es vielleicht eine Warnung des Unterbewusstseins? Stimmte etwas mit den Perücken nicht? Sie sah sich um.
An den Wänden hingen die Spiegel, dazwischen die Plakate. Sie nahm den Geruch wahr, diese Mischung aus Schweiß, Puder und Schminke, die sich beim Atmen schwer auf ihre Lungen legte.
»Du kannst die Schwarze haben,« sagte der Stylist.
»Dann sehe ich aus wie ein Igel.«
Die anderen lachten nach dieser Antwort.
Lucien verzog das Gesicht. »Eigentlich hatte ich die für dich ausgesucht.«
Lydia hob die Schultern. Sie wollte keine Spielverderberin sein und nickte.
»Bitte, komm,« bat Sabre mit flüsternder Stimme und nahm die Perücke vorsichtig vom Styroporkopf herunter. Er balancierte sie auf den Handflächen, streckte die Arme aus und hielt sie Lydia entgegen, die auf ihn zutrat und einen Schritt vor dem Mann in die
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