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0412 - Wo Canaro wütet

0412 - Wo Canaro wütet

Titel: 0412 - Wo Canaro wütet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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diesem verdammten Provinznest, weitab von der Zivilisation?
    »Sei still«, murmelte sie. »Wer und was auch immer du bist. Sei still, laß mir meine Ruhe. Du bist nicht ich. Du hast dich in mein Leben gedrängt.«
    Wenn du dich da nur nicht irrst… Selbstgespräche dieser Art deuten auf Schizophrenie hin, nicht wahr? Willst du das? Also akzeptiere alles, wie es ist. Hier wirst du nichts mit der Macht anfangen können, über die du verfügst. Du mußt an die Schaltstellen. In die Metropolen.
    Sibyl schloß die Augen.
    Während der ganzen Fahrt im Lkw von Feurs bis hierher hatte sie Ruhe gehabt. Jetzt kam die Stimme wieder…
    Aber es würde vielleicht schon bald ein Ende haben. Sie sah die Häuser, die größeren Bauernhöfe dazwischen, sah nicht weit von hier das graue, breite Band der Loire, auf der anderen Seite die Berge mit den Weinhängen… Und da war auch ein seltsames Bauwerk zu sehen.
    Sie hatte von den romantischen, verspielten Schlössern an der Loire gehört und Bilder gesehen. Aber das hier… war irgendwie anders. Es war eher eine Mischung aus Schloß und Trutzburg. Eine sehr eigenartige Mischung, die zum einen nicht hierher paßte, zum anderen aber doch wieder harmonisch wirkte. Der Haupttrakt schien beschädigt zu sein; das Dach war abgedeckt, offene Fenster rauchgeschwärzt. Hier mußte vor einiger Zeit ein gewaltiger Brand getobt haben. Aber man restaurierte… Sibyl konnte die Baugerüste schemenhaft erkennen.
    In der Luftlinie war das Bauwerk gut einen Kilometer entfernt, vielleicht etwas weiter.
    War das Château Montagne?
    Sie konnte nichts anderes entdecken, das man als Schloß bezeichnen konnte. Also mußte es das hier sein. Sie sah ein langgestrecktes, weißes Cabrio über eine gewundene Straße zum Dorf hinabfahren. Als der Wagen näher kam, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Ein Cadillac-Cabrio mit riesigen Heckflossen, Baujahr ’59, mit einem jungen Mann am Lenkrad, der ihr auf Anhieb sympathisch war.
    Sie hätte es nie für möglich gehalten, ausgerechnet hier, in einem kleinen französischen Hinterwäldlerdorf ein so riesiges altes Auto aus ihrer Heimat wiederzusehen, einen Wagen, der viel älter war als sie selbst! Der Cadillac paßte nicht hierher, zwischen die kleinen Renaults, Peugeots und Citroëns.
    Der Wagen rollte langsam an ihr vorbei.
    Sollte der Fahrer der gesuchte Professor Zamorra sein?
    Närrin! Dazu ist er viel zu jung! Zamorra muß viel älter sein als dieses Bürschlein und du selbst!
    Aber er war vom Château gekommen. Er würde sich hier auskennen. Sie konnte ihn fragen… wenn er anhielt.
    Er hielt an.
    Nur ein paar Häuser weiter stoppte der Cadillac, federte kurz mit dem langen Bug ein. Der leise summende Motor verstummte. Der Fahrer stieg aus; ein braungebrannter sportlicher Mann in Shorts und offenem Hemd. Sibyl ließ ihre Reisetasche am Wegrand stehen und lief zu ihm hinüber. Der Cadillac-Fahrer wandte sich um, als er ihre Schritte hörte.
    Hoffentlich versteht er mich! durchfuhr es Sibyl, als sie ihn ansprach. »Entschuldigen Sie, Sir… kommen Sie vom Château Montagne? Ich sah Sie den Berg herabfahren…«
    Er nickte. »Ja. Das ist das Château. Wollen Sie dorthin? Ich bin Pascal Lafitte. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Vielleicht.« Sie stellte sich vor.
    »Philadelphia-Akzent.« Er schmunzelte.
    »Das erkennen Sie?« staunte sie.
    »Ich bin manchmal als Übersetzer tätig«, sagte er. »Sie wollen also zum Professor? Sind Sie zu Fuß gekommen?«
    Sie nickte.
    »Hm. Der Weg hinauf ist stellenweise etwas steil. Außerdem ist es im Augenblick keine günstige Zeit. Vielleicht sollten Sie sich erst mal ein Zimmer nehmen. Pierre hat bestimmt was frei. Gehen Sie dort hinüber. Das Gasthaus ist das beste im Ort – allerdings auch das einzige. Der Wirt ist Pierre Mostache. Er wird Sie schon unterbringen. Wenn Sie mit Zamorra reden wollen, rufen Sie lieber vorsichtshalber an, bevor Sie hinauf gehen. Als ich vorhin oben war, war er gar nicht begeistert.«
    Sie sah ihn an, dann den gepflegten Wagen. Ein Traumauto. »Können… können Sie mich nicht zum Château hinaufbringen, Mister Lafitte? Bei dieser Hitze den Berg hinauf zu marschieren, wird nicht leicht sein… außerdem habe ich noch nie in so einem Auto gesessen.«
    Pascal lächelte. »Kann ich Ihnen nachempfinden. Als ich den Wagen zum erstenmal sah, wollte ich ihn sofort haben. Und seiner Vorbesitzerin ist es damals ebenso gegangen. Er gehörte früher der Sekretärin des Professors. Sie hat

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