0412 - Wo Canaro wütet
Freunden Zamorras und Nicoles geworden und schon häufig hier zu Gast gewesen – sie hatten auch schon einige Abenteuer gemeinsam erlebt. Dabei war alles aus einer eher geschäftlichen Beziehung entstanden. Zamorra bemühte sich, stets über alles auf dem Laufenden zu sein, was an okkulten und sonstig unerklärlichen Erscheinungen in der Welt ablief, aber da er nicht alle Zeitungen selbst durcharbeiten konnte, ›lektorierte‹ Pascal Lafitte sie, übersetzte sie teilweise auch. Was interessant war, markierte er oder schnitt er aus, traf also eine Art Vorauswahl.
Diesmal war der Stapel Zeitungen, den er mitgebracht hatte, nur dünn; schließlich waren Zamorra und Nicole nur ein paar Tage fort gewesen. Pascal ließ das Kilo Papier einfach auf die Bodenfliesen fallen, gut eine Handbreit neben eine nur langsam verdunstende Pfütze. »He«, protestierte Zamorra. »Wie gehst du mit meinen teuer abonnierten Zeitungen um?«
»Gründliches Durchfeuchten ist eine der nötigen Vorarbeiten fürs Recycling«, behauptete Pascal. »Seid mir gegrüßt, Freunde. Nadine sah vorhin euren Wagen durch das Dorf rauschen und da dachte ich mir, ich könnte die Zeitungen hochbringen.«
»Auf die Idee, vorher anzurufen, bist du nicht gekommen?« erkundigte Zamorra sich bissig.
»Himmel, ich kann ja wieder gehen. Raffael deutete schon an, daß der Moment nicht so ganz passend sei. Aber da war eine Meldung, die mir interessant erscheint. Hat sich in New York abgespielt.«
»Ich liebe amerikanische Zeitungen und ihre Sensationsmeldungen«, seufzte Nicole. »Hat jemand einen Yeti auf der Freiheitsstatue fotografiert? Oder hat ein UFO eine Bruchlandung in der Bronx gemacht?«
»Unsinn.« Pascal sortierte eine Zeitung aus dem Stapel heraus und schlug sie auf. Zamorra kannte das Blatt und schätzte es nicht besonders, aber er hatte es wie viele andere internationale Zeitungen abonniert, weil hier Meldungen, die für ihn interessant waren, zwar sensationell aufgebauscht, aber immerhin gebracht wurden – seriöse Zeitungen verzichteten oftmals darauf und spielten dafür die Tagespolitik hoch.
Pascal hatte den Text angekreuzt und ein paar handschriftliche Anmerkungen dazugekritzelt. Nicole richtete sich auf und sah Zamorra und Pascal über die Schultern.
Dem Bericht nach hatte sich der Vorfall am vergangenen Tag in der City von New York abgespielt. Ein mit Brandwunden übel zugerichteter Mann war von einem Bestattungsunternehmen aus einer an sich unbeschädigten Wohnung geholt worden; dem geschulten Auge der Firmenangestellten war nichts aufgefallen, das auf einen Brand im Zimmer hindeutete, dem dieser Tote zum Opfer gefallen sei. Der Mann, der die Pietät beauftragt hatte, sich um den Toten zu kümmern, hatte sich als G-men ausgegeben – aber die New Yorker FBI-Zentrale kannte ihn nicht. Der angebliche G-men war anschließend spurlos verschwunden.
»Ja, und?« erkundigte sich Zamorra. »Was geht uns das an? Vielleicht eine Abrechnung zwischen ein paar Banditen, oder was weiß ich. Dergleichen geschieht in New York des öfteren.«
»Das ist ja noch nicht alles«, sagte Lafitte. »Schau mal zur anderen Seite. Da ist noch ’ne Meldung.«
In einem Hochhausapartment in der New Yorker Innenstadt hatte es eine Schießerei gegeben. Jemand war, die Waffe in der Hand, in eine Wohnung gestürmt und hatte um sich gefeuert. Anschließend war er spurlos verschwunden, nachdem er sich als Bundesagent ausgewiesen haben sollte, wie Zeugenaussagen verrieten. Interessanter aber war, daß der Mann, auf den er geschossen hatte, ebenso spurlos aus der Wohnung verschwunden war. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Ein Mädchen, das sich ebenfalls im Zimmer befand, war mit einem Nervenschock in eine Klinik eingeliefert worden.
Zamorra seufzte. »Auch das bringt mir keine Erleuchtung.«
»Dann schau dir mal an, in welcher Straße das jeweils passierte. Es ist dieselbe Straße. Den Hausnummern nach, die man witzigerweise angegeben hat, müßten sich die Gebäude genau gegenüberstehen. Das ließe sich mit einem guten Stadtplan feststellen.«
»Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinaus willst, Pascal«, brummte Zamorra. »Entweder scheint mir die Sonne dafür heute zu sehr aufs Hirn, oder…«
»Überleg mal«, sagte Pascal. »In einem Haus wird auf jemanden geschossen, der anschließend nicht mehr zu finden ist. Aus dem Fenster gefallen sein kann er nicht, sonst hätte man ihn entdeckt. Über den Korridor gestürmt ist er auch nicht, sonst
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