0413 - Der Nebel-Vampir
andere in ihr ließ sich nicht beirren. Noch immer war etwas Menschliches in ihr, das sich an diese Liebe zu Stanley klammerte. Deshalb hatte sie zu ihm gemußt, und sie hatte nicht gelogen, als sie ihm ihre Liebe gestand.
Und nun sah sie eine Lösung.
Wenn das stimmte, was der Vampirkeim an Grundwissen auf sie übertragen hatte, konnten sie auch weiterhin miteinander glücklich bleiben.
Juliet konnte nicht mehr in die Welt der Lebenden zurück finden. Das war für immer vorbei. Aber sie konnte Stanley zu sich holen, in die Welt der Untoten.
Sie hatte zwar gerade erst Blut getrunken und fühlte sich satt. Aber sie konnte einen Anfang machen.
Und so schlug sie die Eckzähne in seine Schlagader, um von dem Blut des Mannes zu trinken, den sie liebte und den sie nicht verlieren wollte…
***
Zamorra stoppte den Jaguar auf dem Parkplatz vor dem Pub, in dem längst alle Türen und Fenster verschlossen waren und in dessen Schankraum kein Licht mehr brannte. Besonders lange schienen der Dorfpolizist und die anderen Zecher doch nicht über die normale Sperrstunde hinaus gegangen zu sein. Aber das war verständlich. Viele würden am Morgen relativ früh aufstehen müssen, vor allem jene, die in der Landwirtschaft tätig waren, und so wie Helmsley aussah, war das ein Großteil der Einwohnerschaft. Deshalb würden es nur die wenigsten so lange aushalten können.
Nicole stoppte ebenfalls kurz.
»Vor Camerons Haus ist auf der anderen Straßenseite eine Telefonzelle«, sagte sie. »Komm mit. Während ich die Wagenschlüssel zurückgebe, kannst du die Polizei anrufen.«
»Hoffentlich ist Cameron überhaupt noch wach«, erwiderte Zamorra. Nach dem, was Nicole über die Brandyflasche erzählt hatte, war nicht unbedingt damit zu rechnen.
»Versuchen kann man es schließlich…«
Zamorra stieg mit in den Ford ein. Zusammen fuhren sie das letzte kurze Stück bis vor das Haus, in dem Cameron wohnte.
Dort stand ein unauffälliger Wagen am Straßenrand, den Nicole, wie sie berichtete, beim Abholen des Ford hier nicht bemerkt hatte. Zamorra hatte den vagen Eindruck, daß das jenes Auto sein könnte, dem sie draußen auf der Landstraße begegnet waren.
Während Nicole den Ford sorgfältig abschloß, nahm Zamorra den anderen Wagen in Augenschein. Er legte eine Hand auf die Motorhaube; sie strahlte deutliche Wärme aus. Das Auto stand noch nicht sehr lange in der Nachtkälte. Zehn Minuten, höchstens eine Viertelstunde…
Warum ihn dieser Wagen plötzlich interessierte, konnte er nicht sagen. Auch nicht, warum er probeweise am Griff der Fahrertür zog und feststellte, daß der Wagen nicht abgeschlossen war. Er öffnete die Tür und setzte sich hinter das Lenkrad.
Die Innenbeleuchtung zeigte ihm das Funkgerät unter dem Armaturenbrett.
Das war alles andere als ein normales CB-Gerät, wie es in jedem Laden zu kaufen war. Das war ein Betriebsfunkgerät, wie es Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei und andere benutzten…
Unwillkürlich griff Zamorra unter den Sitz und bekam eine Stop-Kelle zu fassen. Auf dem Beifahrersitz, links neben ihm, lag ein Diktiergerät…
Er hockte in einem zivilen Einsatzwagen!
War das das Auto, mit dem jener Dan Mocart unterwegs gewesen war? Es war fast anzunehmen…
Nicole näherte sich. »Na, du Autoknacker…?«
»Das ist ein reinrassiger Polizeiwagen«, erklärte Zamorra. »Denkst du, was ich denke?«
Sie pfiff leise durch die Zähne. In der Nebelnacht klang es seltsam dumpf.
»Und ob! Da hast du ja direkt die passenden Leute dran und brauchst nicht mal Geld fürs Telefonieren auszugeben…«
Das war es nicht gerade, woran er gedacht hatte, aber die Idee war recht brauchbar. »Damit wissen wir höchstwahrscheinlich, wie Dan Mocart nach Helmsley gekommen ist… kannst du mir mal eben das Kennzeichen des Wagens sagen?«
Nicole ging nach vorn und las das Nummernschild ab. Zamorra vermerkte die Buchstaben- und Zahlenfolge im Gedächtnis.
»Ich klingele schon mal Cameron aus dem Bett«, verkündete Nicole und ging hinüber zur anderen Straßenseite. Zamorra nahm das Funkgerät in Betrieb. Mit der Bedienung kannte er sich aus. Augenblicke später hatte er die Dienstbereitschaft in York in der Leitung…
***
Stanley Cameron brauchte ein paar lange Sekunden, bis er begriff, was geschah. Er hatte Schwierigkeiten, das unglaubliche Geschehen zu verarbeiten. Der Alkohol tat ein Übriges. So kam seine Reaktion erst, als der winzige Einstichschmerz längst wieder nachgelassen hatte und Juliet bereits
Weitere Kostenlose Bücher