0413 - Der Nebel-Vampir
das nicht an… laß sie leben und normal sein…«
Aber dann schüttelte er den Kopf. Es war egal. Selbst wenn sie nicht mehr bei klarem Verstand war – er liebte sie, und er war froh, daß sie zu ihm zurückgekommen war. Ganz gleich, ob sie krank war oder nicht. Er würde für sie da sein, er würde sie pflegen. Auch wenn es ihm schwer fiel und weh tat. Aber er würde sich daran gewöhnen können. Juliet lebte. Nur das allein zählte.
»Ich scherze nicht«, hörte er sie seine Gedanken unterbrechen.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen. »Ich bin tot, und ich lebe. Aber auf eine andere Weise. Eine, die du noch nicht verstehen kannst. Ich sagte dir doch, daß alles ganz anders ist, als du glaubst.«
»Komm, Juliet. Erzähl mir alles«, sagte er verzweifelt. Sie mußte geistig verwirrt sein. Denn das, was sie sagte, ergab so doch keinen Sinn. »Erzähl mir, was passiert ist.«
Da war sie bei ihm. »Küß mich«, bat sie leise.
Er kam der Aufforderung nach, und als er ihre blutwarmen Lippen spürte, war er den Tränen nahe. Und dann gingen diese Lippen wieder auf Wanderschaft, hinunter zu seinem Hals. Und kaum merklich fühlte er den leichten Einstich, nicht einmal so stark, als habe ihn eine Stecknadelspitze berührt, und…
***
Zamorra bremste so ruckartig, daß Nicole fast auffuhr. Sie brachte den Ford gerade noch rechtzeitig zum Stehen.
Daß da ein Wagen stand, mitten auf der Straße, dessen Warnblinkanlage arbeitete, war an sich nichts Besonderes. Das konnte eine ganz normale Ursache haben. Eine Panne, vielleicht vom Nebel kommende Feuchtigkeit, die die Zündung störte, so daß der Motor nicht mehr lief… oder sonst irgend etwas. Es war lediglich gefährlich, weil der Wagen nicht an den Straßenrand gefahren worden war.
Was nicht normal war, waren die beiden Menschen, die auf der Fahrbahn lagen.
Zamorra stieg vorsichtig aus. Wenn er sich recht entsann, war das hier die Stelle, an der er vorhin etwas am Straßenrand gesehen hatte. Dieser schattenhafte Baumstamm…
Auch Nicole war jetzt ausgestiegen. Was sie dachte und fühlte, war ihr nicht anzusehen, als sie sich neben den beiden Gestalten niederkauerte und sie abtastete. Zamorra nahm die Stablampe aus dem Jaguar und strahlte die Liegenden an.
Sie waren mumifiziert.
Ausgedörrt.
Ein Mann und eine Frau. Beide waren nicht zu identifizieren, höchstens von der Haarfarbe her. Aber die Gesichter waren so eingefallen, die Haut spröde und faltig, daß nicht einmal erkennbar war, wie alt sie gewesen sein mochten.
»Das ist Susan Howard«, behauptete Nicole plötzlich.
»Wie kommst du denn darauf?« fragte Zamorra.
»Die Kleidung«, sagte Nicole. »Es sind die Sachen, die Howard trug. Und der Wagen… das ist doch der, der uns verfolgte, oder?«
Zamorra nickte erstaunt.
Er begann den Mann zu untersuchen, während Nicole die Handtasche der Frau in Augenschein nahm. Alles paßte zusammen. Da war eine Foto- und Abhörausrüstung, ein Diktiergerät… und der Presseausweis.
Susan Howard hatte ihre heimliche Neugierde mit dem Leben bezahlt.
»Der hier ist ein Polizeibeamter«, sagte Zamorra. »Ein gewisser Dan Mocart. Arbeitet in York.«
»Den hat uns Westray auf den Hals geschickt«, sagte Nicole.
»Wenn das so ist, dann trägt der Inspektor möglicherweise die Verantwortung für den Tod dieses Beamten«, sagte Zamorra bitter. »Aber wie kommen die Kriminalbeamten und eine Reporterin zusammen? Da stimmt irgend etwas nicht. Ich kann mich nicht entsinnen, zwei Personen in Howards Auto gesehen zu haben. Wo ist also das Fahrzeug, mit dem Mocart gekommen ist?«
»Vampire stehlen keine Autos«, sagte Nicole. »Also müßte der Wagen noch hier sein. Aber ich könnte mir eher vorstellen, daß die beiden sich doch zusammengetan haben.«
»Auf jeden Fall war der Vampir hier«, sagte Zamorra. Fragend sah er Nicole an.
»Ich spüre nichts«, sagte sie, »ich glaube nicht, daß er noch in der Nähe ist.« Sie tastete nach dem Amulett. »Sollten wir nachforschen, wohin er sich begeben hat?«
Zamorra preßte die Lippen zusammen. Dieser zweifache Mord mußte passiert sein, als Nicole das Verschwinden der Präsenz aus ihrer Nähe registrierte. Da hatte der Vampir sich einem anderen Opfer zugewandt.
»Das Biest hat Lunte gerochen«, sagte er dumpf. Er sah in die Nacht hinaus. Dann schüttelte er den Kopf. »Wir versuchen die Spur im Morgengrauen aufzunehmen, oder am hellen Vormittag. Die Zeit wird reichen«, sagte er. »Das Amulett wird den
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