0413 - Die Sonnenforscher
schnell wie möglich durch die Chromosphäre hindurch", überlegte er laut, „und halten uns in den oberen Schichten der Photosphäre auf. Dort ist die Dichte geringer als in der Chromosphäre, und auch die Temperatur ist - zumindest in den obersten Schichten - niedriger."
Er wandte den Kopf und sah Oberstleutnant Hamesener an. „Wie denken Sie darüber?" Gertsa Hameseners Gesicht blieb undurchsichtig. Nur die mahlenden Kiefer zeigten den Grad seiner Erregung an. Dennoch klang seine Stimme unterkühlt, als er antwortete: „Ich sehe nichts, was dagegen spräche, Sir. Entsprechende Bahnberechnungen liegen vor.
Wir könnten unverzüglich mit dem Manöver beginnen."
Waringer schluckte. Insgeheim, konstatierte er selbstkritisch, hatte er auf Einwände gehofft, auf Anzeichen von Furcht oder zumindest Zögern. Nun war er enttäuscht und zögerte selbst. Doch dann gab er sich einen Ruck.
Wenn die SUN DRAGON ihre Aufgabe erfüllen sollte, mußte sie auch die dazu notwendig werdenden Manöver durchführen.
„Einverstanden, Oberstleutnant", sagte er. „Aber seien Sie vorsichtig."
„Wem sagen Sie das", murmelte Hamesener, während er sich zurücklehnte.
Die SERT-Haube über seinem Schädel glänzte wie frisch poliertes pures Silber. Nichts war zu sehen oder zu hören von jenen geheimnisumwobenen Vorgängen, die sich zwischen dem Gehirn des Emotionauten und dem Mechanismus der SERT-Haube abspielten.
Gertsa Hamesener rührte keinen Finger. Dennoch begannen plötzlich die Impulstriebwerke in Fahrtrichtung aufzubrüllen. Das Schiff bremste mit hohen Werten ab, wodurch es automatisch die Fluchtgeschwindigkeit unterschritt und von der Massenenergie der Sonne hinabgezogen wurde.
Die terranischen Emotio-Techniker sagten „Simultane Emotio- und Reflex-Transmission" zu dem, was die SERT-Haube vollbrachte. Wie so zahlreiche Begriffe der immer komplizierter werdenden Wissenschaften war das eine Bezeichnung, die dem Laien kaum etwas von dem verriet, was dahinter steckte. Es war auch nicht jeder Raumfahrer in der Lage, ein Schiff mittels SERT zu steuern. Nur Menschen, die besonders stark ausgeprägte bioelektrische Gehirnströme produzierten, eigneten sich für die spezielle Ausbildung zum Emotionauten. Auf der Emotio-Akademie in Terrania mußten sie durch hartes Geistestraining lernen, nicht nur ihre Gedanken, sondern auch ihre Gefühle ausschließlich auf die Identifizierung mit einem Raumschiff zu konzentrieren. Vor allem die Gefühle, denn nur deren bioelektrische Impulse waren stark genug, um von der SERT-Haube aufgenommen, verstärkt, modulationsbegrenzt und mit annähernd Lichtgeschwindigkeit in den Schaltungscomputer geschickt zu werden, damit er steuerte, denn eine nicht vollständige Identifizierung hätte den Schaltungscomputer blockiert.
Professor Waringer wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen, als er das tosende Gasmeer der Sonnenoberfläche näher und näher kommen sah. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, den er jedoch noch rechtzeitig unterdrückte.
Fast wäre er der Vorstellung erlegen, die SUN DRAGON stürze unaufhaltsam in die Sonne hinein.
„So ist es besser", erklärte der Accalaurie. „Ich gehe zu meinen Geräten zurück, Waringer."
Im nächsten Augenblick lag er flach auf dem Boden. Das Schiff erbebte ein zweites Mal. Professor Waringer umklammerte krampfhaft die Armlehnen seinen Kontursessels. Aus weit geöffneten Augen starrte er auf die fürchterlichen Entladungen, die im Paratronschirm tobten. Die SUN DRAGON mußte mit einer soeben emporschießenden Protuberanz zusammengeprallt sein.
„Achtung!" ertönte eine Stimme aus der Rundrufanlage. Sie klang hart und klirrte schwach nach. „Schaltungscomputer spricht: Helme schließen und anschnallen! Wir werden in Richtung Photosphäre beschleunigen, um die Protuberanz schnell durchqueren zu können!"
Waringer wollte bereits gehorchen, da durchfuhr ihn ein eisiger Schreck. Wenn. Accutron Mspoern von einer Erschütterung gegen scharfkantige Gegenstände geschleudert und das Maverick-Cape beschädigt wurde ...! Unter dem doppelten Maverick-Cape aus Ynkelonium befand sich mehr als genug Masse aus Antimaterie, um beim Zusammentreffen mit Koinomaterie die SUN DRAGON in einem grellen Lichtblitz vergehen zu lassen.
Geoffry Abel Waringer sprang aus seinem Kontursessel, packte den kugelförmigen Accalaurie unter den Armen und schleifte ihn keuchend in seinen Sessel. Dort schnallte er ihn hastig an. Danach sah er sich aufatmend nach einem
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