0414 - Ein Goldfisch unter Großstadt-Haien
kommen sehen. Daraufhin hatte er sich in der Nische versteckt, um zu lauschen. Das war ein für die Bewohner dieser Gegend typisches Verhalten.
Das Haus schien unbewohnt zu sein. Oder die Leute waren nicht anwesend.
Mit einiger Mühe gelang es mir, das Feuerzeug aus der Tasche zu zerren. Ich ließ es aufflammen und schob es dann zwischen die immer noch gefühllosen Finger meiner Linken.
Der schwache Schein reichte aus, um den tristen Flur notdürftig zu erhellen.
Ich sah vier Türen, die in irgendwelche Zimmer zu führen schienen; und ich sah die Bodentür.
Sie war ganz in meiner Nähe. Ein rostiger Riegel mußte zurückgeschoben werden. Knarrend schwang mir die Tür entgegen. Eine schmale Stiege führte hinauf. Ich zog die Tür hinter mir zu. Innen gab es keinen Riegel. Aber das Holz war verquollen und klemmte. Es gelang mir, die Tür in den Rahmen zu pressen.
Leise tappte ich die Stiege hinauf.
Der Wäscheboden war klein und völlig leer. Durch eine quadratische Bodenluke fiel der schwache Schimmer des fahlen Nachthimmels. Das Glas war längst zerbrochen, aber im Rahmen steckten noch einige gezackte Splitter, die geeignet waren, mir Kleidung und Haut aufzuschlitzen.
Ich öffnete die Luke und schwang mich aufs Dach. Mit meinem müden linken Flügel war das nicht ganz einfach. Aber schließlich hockte ich schwer atmend auf den Ziegeln. Langsam rutschte ich bis zur Regenrinne vor. Dabei bemühte ich mich, möglichst leise zu sein.
An der Rückwand des Hauses entdeckte ich die Reste einer Feuerleiter. Daß nicht alle Stufen vorhanden waren, konnte ich trotz der schlechten Lichtverhältnisse erkennen. Es handelte sich eigentlich um keine echte Feuerleiter, sondern mehr um eine Stiege, die von einem Flurfenster des ersten Stocks bis fast auf den Hof führte.
Sollte ich mich dem rostigen Gestell anvertrauen? Auf den Hof kam ich bestimmt. Vielleicht sogar in Sekundenbruchteilen.
Trotzdem riskierte ich’s. Mir blieb keine andere Wahl, denn bestimmt waren die Ganoven inzwischen in die erste Etage vorgedrungen. Vielleicht suchten sie erst in den Zimmern, aber lange würde den Kerlen mein Fluchtweg nicht verborgen bleiben.
Ich schob mich über den Rand des Daches. Der linke Arm funktionierte wieder ganz leidlich. Einen Klimmzüg hätte ich mir damit allerdings nicht zugetraut.
Die oberste Sprosse der Feuerleiterstiege war von Wind und Regen und Rost zerfressen. Sie zerbrach unter meinem Schuh wie ein Stück Sperrholz. Das Geländer wackelte wie ein Lämmerschwanz.
Ich schätzte die Entfernung bis auf den Lehmboden des Hofes. Reichlich fünf Yard — zuviel für einen Sprung bei Dunkelheit.
Langsam stieg ich hinunter. Die Stiege ächzte wie ein alter Mann. Der Schweiß floß mir in kleinen Strömen übers Gesicht. Aber schließlich war ich unten. Ich landete in der Nähe der Hoftür, zückte meine Pistole und huschte schnell an der Mauer entlang.
Im Haus war es verdächtig still.
Ich schob den Kopf um die Ecke und blickte in den Gang. Ich konnte niemanden sehen.
Jetzt brüllte ein heiserer Bursche in der oberen Etage.
Ich lief leichtfüßig durch den Gang, gelangte an die Haustür und blickte mich um. Die Straße war leer.
Ich huschte hinaus.
Ein Telefon. Ich brauchte unbedingt ein Telefon.
So weit ich blicken konnte — eine Kneipe war nicht in der Nähe.
Ich wandte mich nicht nach rechts, sondern in die Richtung, in der das Haus lag, in dem ich Johnny Star die Ohrfeige verpaßt hatte.
Während ich in Tuchfühlung mit den Hauswänden durch die Straße huschte, überlegte ich fieberhaft.
Wie konnte ich Flora Rochelle finden? Sie mußte sofort unter Polizeischutz.
Ich lief an dem verlassenen Haus vorbei. Das Bild der New Lots Ave veränderte sich nicht. Ein paar Gestalten, die ich in der Dunkelheit nicht genau erkennen konnte, kamen mir entgegen. Sie wandten die Köpfe, als ich betont lässig an ihnen vorüberlatschte.
Hinter nur wenigen Fenstern brannte Licht. Dann sah ich die magere Leuchtschrift einer Kneipe. Als ich näher kam, las ich Blue-Moon-Bar.
Das hatte mir noch gefehlt. Doch es half nichts. Ich brauchte Hilfe, und die konnte ich nur per Telefon herbeirufen. Wenn ich mich bis zu meinem Jaguar durchschlug, verging zu viel Zeit. Inzwischen war die Jagd auf Flora Rochelle sicherlich längst im Gange.
Vor der Kneipentür trocknete ich mir den Schweiß vom Gesicht. Mein Anzug sah so mitgenommen aus, daß ich hier vielleicht nicht mal sonderlich auffiel.
Ich drückte das Pflaster im Nacken
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