0419 - Die Klinik der tödlichen Träume
mich noch einen Schritt weitergehen: »Von Paul Bacon!«
»Wie geht’s dem alten Paul?« fragte er schließlich.
»Nicht so gut, wie er es vielleicht gern hätte«, sagte ich leise. Fenner sah mich schweigend an.
»Es ist nicht gut, wenn man so in der Öffentlichkeit steht wie Paul. Das ist immer mit Schwierigkeiten verbunden.«
Der Ober brachte unsere Getränke und öffnete die Tonic-Flasche für mich. Er wollte den Kronenkorken mitnehmen, aber ich schnappte ihn mir und sagte: »Es ist schon gut!«
Fenner ließ mich nicht mehr aus den Augen. Er schätzte mich ab, wie eine Katze, die es mit einem Tier zu tun hat, dessen Gefährlichkeit sie noch nicht kennt.
Ich drehte den gezackten Metallver-Schluß zwischen den Fingern, schnippte mit dem Daumennagel die Korkeinlage heraus und ließ meine Hände leicht zittern.
Fenner nippte nur an seinem Martini, seine Augen blieben auf meine Hände geheftet. Ich sah hoch, setzte an, etwas zu sagen und gähnte dann lange und ausgiebig, so lange, bis mir die Tränen in die Augen traten. Dann lächelte ich verlegen, steckte den Metalldeckel weg und holte ein Taschentuch heraus, in das ich mich laut schnaubte.
Fenners Miene veränderte sich kaum merkbar, aber ich triumphierte. Ich hatte ihm die Symptome eines Rauschgiftsüchtigen, der dringend einen »Schuß« benötigt, vorgespielt, und ei hatte meine Show geschluckt. Sein Ausdruck bekam die übliche Überlegenheit eines Mannes, der mit den Leiden der anderen seine Bucks scheffelt. Aber noch immer blieb er wachsam.
»Sind Sie ein Clubfreund von Paul?« fragte er dann.
»Nein, ich habe mich bisher sehr zurückgehalten«, sagte ich in der Hoffnung, richtig zu antworten.
Fenner lächelte mir scheinheilig zu. »Sind Sie immer gut zurechtgekommen?«
»Wie man’s nimmt!« antwortete ich. Meine Hände zitterten jetzt so stark, daß ich kaum mein Feuerzeug hervorholen konnte.
»Haben Sie genug Geld dabei?« fragte Fenner.
»Wieviel ist genug?« fragte ich zurück.
Er schien mich mit den Blicken zu taxieren, dann sagte er:
»Vierhundert Dollar für vier Tabletten.«
Ich spielte Entsetzen vor. Fenner lächelte und wartete.
Er konnte die Preise machen, denn ich mußte kaufen, ob ich wollte oder nicht. »Kann ich nicht zwei Tabletten für zweihundert Bucks haben?«
Fenner machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er wartete nur und lächelte.
Ich versuchte es noch einmal: »Dreihundert?«
»Wir sind hier keine Clique aus Greenwich Village, wir sind hier ein Club der obersten Gesellschaft. Und wenn Sie von Paul empfohlen wurden, dann müssen Sie auch die Unkosten tragen!«
»Aber…« begann ich.
Fenner lehnte sich zurück: »Dort ist die Tür!« sagte er mit einer ausladenden Handbewegung.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich zahle ja, ich habe es ja…« Ich nahm meine Brieftasche heraus. Fenner fuhr mich an:
»Stecken Sie das Ding weg, wir sind hier nicht auf dem Fischmarkt!«
Ich packte meine Mappe eingeschüchtert wieder weg. Meine Hände zitterten jetzt schon so, daß ich sie kaum halten konnte. Unentwegt gähnte ich unterdrückt. Ich hatte nicht umsonst schon Hunderte von diesen armen Teufeln beobachtet, die in die Klauen des Rauschgiftes geraten waren.
»Schon lange dabei?« fragte Fenner, der meine zunehmende Nervosität mit Interesse beobachtete.
Ich hob die Schultern und sagte: »Vor sieben Jahren hat es angefangen, dann haben sie mich in eins dieser verdammten Heime gesteckt, und seit einem halben Jahr ist es wieder soweit!«
»In welchem Heim waren Sie?« fragte Fenner mit Interesse. Ich wußte, daß von der Antwort viel abhing, aber ich wußte sie nicht. Ich sagte also: »Staatlich.«
»Ach so«, sagte Fenner, und sein Interesse war geschmolzen. Ich hatte nicht das gesagt, was er erwartet hatte. Aber ich wußte jetzt, daß die richtige Antwort zur richtigen Fährte führen würde.
Ich beschloß, noch einen Versuchsballon abzuschießen. Ich sah auf die Uhr und fragte dann:
»Damals, als ich anfing, traf ich öfter den jungen Dillard. Harvey hieß er wohl, ist er noch im Club?«
»Nein, plötzlich verschwunden…« Fenner hatte automatisch geantwortet. Jetzt sah er wieder hoch. Er war wieder mißtrauisch. Ich hoffte, daß es wegen meiner Fragerei im allgemeinen war und sagte mit überhöhter Stimme: »Sagen Sie, muß ich noch lange warten?«
Er grinste beruhigt. »Kommen Sie mit!« Er stand auf. Ich folgte ihm zu den Privaträumen.
Ohne mich umzusehen, spürte ich Joe Muscoes Blick
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