0419 - Die Klinik der tödlichen Träume
Fast alle!«
Er sah bedeutungsvoll zu Fenner hinüber, aber der schien nicht zugehört zu haben. Er schlotterte jetzt, als ob in dem Zimmer minus 3 Grad herrschten.
»Was wollten Sie eigentlich hier, Cotton?« fragte Muscoe plötzlich.
»Ich suche Harvey Dillard.«
Einen Moment lang sah mich Muscoe verdutzt an, dann brüllte er los. Er bog sich vor Lachen, daß ihm die Tränen kamen, und schlug sich immer wieder auf die Schenkel:
»Er sucht Harvey! Das ist großartig! Den lieben kleinen Harvey Dillard, ausgerechnet Harvey Dillard!« Es dauerte eine ganze Zeit, bis er sich wieder beruhigt hatte, dann fiel die Heiterkeit plötzlich ab wie ein brüchiger Verputz, und er schnauzte seine Leute an:
»Zwei von euch schaffen ihn in die Bootshütte, ihr wißt Bescheid! Fenner kommt mit und erledigt dann die Sache allein. Ich möchte morgen früh gern in der Zeitung von einem Brand lesen, bei dem ein Mann bis zur Unkenntlichkeit verbrannte, ist das klar?«
»Klar, Boß!« grinsten sie.
»Ihr nehmt den Hintereingang und den Ford mit der falschen Nummer. Und paßt auf Fenner auf. Wenn er nicht spurt, steckt ihr ihn mit in die Hütte!«
»Nein!« jammerte Fenner los, »bitte nicht, ich kann nicht, solange halte ich es nicht aus, bitte gib mir eine Ladung, eine kleine wenigstens!«
»Wenn du zurückkommst und den Job ordentlich ausgeführt hast. Wenn nicht, dann kannst du dir in Zukunft Kochsalz unter die Haut jagen!«
Fenner schnaufte tief und unregelmäßig. Seine Augen blieben an mir haften. Er stierte mich an, und ich wußte, daß sein ganzer Haß sich jetzt gegen mich richtete.
Joe Muscoe beobachtete ihn befriedigt. Er hatte erreicht, was er wollte. Aber er war nicht süchtig, er wußte nicht, was er von Fenner verlangte — oder wußte er es besser als ich? Ich begann zu frieren. Meine Gelenke schliefen ein und wurden gefühllos. Die Kerle hatten die Seile so fest geschnürt, daß das Blut nicht mehr zirkulieren konnte.
Muscoe holte ein breites Nylonband aus seiner Schublade und gab es Fenner.
»Du kannst ihn damit knebeln, obwohl ich nicht glaube, daß es jemand hören würde, wenn er schreit.« Fenner nahm den Streifen mit zittrigen Fingern, und mir stockte plötzlich das Blut!
Ich hatte den Plan von Muscoe durchschaut. Er war bombensicher. Er würde mich gefesselt und geknebelt in einer brennenden Badehütte zurücklassen, meilenweit von der nächsten Stadt entfernt, und wenn man meine Reste finden würde, gäbe es keinen Beweis für eine Gewaltanwendung — denn die Nylonseile würden sich in nichts auflösen.
Auf einen Wink von Joe Muscoe hin packten mich die beiden MPi-Helden und brachten mich zur Tür.
John Fenner stand noch immer an der Wand, er hielt das Nylonband in der Hand, zögerte, - warf Muscoe einen verzweifelten Blick zu und machte sich dann mit schleppenden Schritten auf den Weg.
Fenners Blick blieb wieder an mir haften. Seine Augen waren dunkel vor ohnmächtiger Wut. Ich bewegte den Kopf und verdrehte die Augen auf den Boden hin. Zuerst kapierte Fenner nicht. Aber der Instinkt eines Süchtigen, der lange keine Spritze mehr gehabt hat, ist hundertfach verstärkt.
Seine Augen weiteten sich kaurn merklich.
»Okay, ich gehe!« sagte er heiser und schlang das Nylonband um sein Handgelenk, bückte sich dabei beiläufig und schnappte wie ein wildes Tier hastig und unauffällig nach der provisorischen Gummiampulle, die ich vorhin weggeworfen hatte.
***
Der muffige Geruch alter Kokosmatten stach mir in die Nase. Die rauhe Oberfläche kratzte mir die Gesichtshaut auf, und bei jeder Kurve wurde ich an die Seite des Wagens gepreßt.
Ich lag zusammengekrümmt vor der Rückbank von Joe Muscoes Ford.
Es blieb mir nur noch eine Möglichkeit:
John Fenner hatte sich das Heroin noch nicht eingespritzt. Er durfte es nicht wagen, solange Muscoes Bullen dabei waren, denn ihre Anweisungen waren klar genug. Er würde also warten, bis er mit mir allein war. Und dann hatte ich ein paar Sekunden, in denen seine Aufmerksamkeit nachlassen würde.
Fenner saß hinten auf der Rückbank, einer von den anderen steuerte, während der zweite seitlich auf seinem Sessel saß und zu Fenner und mir zurückschaute.
Wir fuhren vorschriftsmäßig, so daß wir keine Handhabe für eine Funkstreife boten.
Fenners Hände glitten unentwegt über seine Knie wie gefangene Tiere. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Er näherte sich seiner Krise und war nicht weit davon entfernt, auch die letzte Hemmung fallenzulassen. Er würde
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