0419 - Die Klinik der tödlichen Träume
sich die Spritze einjagen, ohne an die Folgen zu denken. Er würde davon überzeugt sein, daß er es leicht mit einem ganzen Dutzend Büffel aufnehmen konnte, wenn er erst einmal neuen »Stoff« in den Adern hatte.
Ich konnte Fenners Gesicht nicht sehen, ich sah nur die langen gelben Finger, aber sie sagten mir genug. Fenner hatte den Punkt erreicht. Seine eine Hand tastete sich langsam 'zu der Jackettasche, in der die Ampulle war.
Ich starrte gebannt auf die Hand, die sich von dem Körper getrennt zu haben schien und völlig selbständig zur Tasche tastete. Sie schlüpfte hinein, umfaßte deutlich sichtbar die Ampulle und zögerte. Ich hörte Fenner tief einatmen und überlegte, wie er es anstellen würde, jetzt sein Jackett auszuziehen und den Hemdärmel hochzukrempeln, dann merkte ich, was er vorhatte. Er zog die Hand heraus, sie war zu einer Faust geballt.
Ich wußte, was sie verbarg. Langsam schob er die immer noch geschlossene Hand bis zur Beuge des anderen Armes, winkelte ihn an und führte die hohle Nadel mit zwei Fingern langsam und vorsichtig durch den groben Stoff seiner Jacke.
Der Wagen legte sich in eine Rechtskurve, Fenner holte tief und zischend Luft, ich hörte das Tuten einer Fähre, das Pfeifensignal eines Verkehrspolizisten. Die Burschen fuhren nach New Jersey hinüber. Mein Mund war trocken, meine letzte Chance war gerade dabei, sich in Luft aufzulösen.
Der Wagen richtete sieh wieder aus und fuhr ruhig.
John Fenner ließ die Luft mit einem erleichterten »Aah« wieder ausströmen und legte seine Finger jetzt um den kleinen Gummiball.
In dem Moment handelte ich.
Ich spannte meine Muskeln an, zog die verschnürten Beine mit aller Kraft an, bäumte mich hoch und stieß Fenner meinen Kopf gegen die Arme. Er stieß einen heiseren Schrei aus, ich fühlte etwas Feuchtes auf meinem Hals, der Wagen begann zu schlingern, der Beifahrer brüllte:
»Paß auf, Idiot!« und schlug mich mit der Faust wieder zurück.
Fenner hielt nur noch die Gummiampulle in der Hand, die Nadel steckte in seinem Jackett, und das Heroin war verspritzt.
Dann merkten die beiden anderen, was Fenner vorgehabt hatte, und der Fahrer sagte höhnisch:
»Der Boß wird sich freuen, wenn er hört, wie du seine Befehle ausführst!«
Fenner sprang gebückt nach vorne, krallte seine dürren Finger in den Hals dos Mannes, der andere wollte ihn losreißen. Der Fahrer brüllte auf, ich versuchte wieder hochzukommen, aber Fenner, der wild geworden war wie ein tollwütiger Hund, schlug mit den Beinen um sich, um in dem wild schlingernden Auto nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und traf mich mit dem Absatz an der Schläfe. Ich krachte wieder zurück, stürzte auf meine Ellenbogenknochen, die brutal auf dem Rücken zusammengeschnürt waren, und kam nicht mehr hoch.
Dann hörte ich das Signal einer Verkehrsstreife.
Es klang in meinen Ohren wie die schönste Musik.
Sie hatten offenbar das verrückte Fahren des anderen bemerkt und rasten jetzt hinter uns her.
Der Beifahrer nahm seinen Revolver, knallte Fenner den Knauf gegen den Hinterkopf und löste gewaltsam die Hände aus den Haaren des Fahrers, die nicht nachgaben, als Fenner schon bewußtlos war. Dann gab er ihm einen Stoß, und Fenner sank zurück auf die Rückbank. Der Wagen schoß wie ein Pfeil nach vorne. Ich wurde hin und her geschleudert, und Fenner über mir sackte immer tiefer in sich zusammen.
Die Sirene blieb immer weiter zurück.
Der Wagen jagte plötzlich mit kreischenden Reifen in eine Haarnadelkurve.
Einen Moment lang bildete ich mir noch ein, das Heulen der Sirene zu hören, aber ich wußte, daß es eine Täuschung war.
Jetzt war es aus.
***
Als der Wagen bremste, konnte ich außer dem Rauschen der Brandung nichts hören. Dann sprach jemand.
»Weck Fenner auf und bring den Mann rein, ich wechsele inzwischen die Nummernschilder aus.«
»Wo ist das Benzin?«
»Vier Kanister sind unter den losen Bodenbrettern der Küche vergraben. Ich helfe dir, sobald ich fertig bin!«
Ich wurde herausgezerrt und auf den weichen Sandboden geworfen, der von dem Nachttau kühl und feucht war. Ich empfand es als angenehm, denn mein ganzer Körper schien zu glühen. Der Nylonknebel lag wie eine Gummikompresse über meinem Mund, und das Gefühl zu ersticken war fast schlimmer als die Angst vor dem qualvollen Tod, den man mir zugedacht hatte.
Ich sah noch den weiten Abhang hinunter auf das Meer. Das Haus, das die Boys auf Muscoes Anraten für mich ausgesucht hatten, war für
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