0419 - Die Klinik der tödlichen Träume
Hast du noch etwas?« Phil reichte mir einen Laborbericht herüber, der sich mit den Untersuchungen in dem Motel beschäftigte.
Die Säure, die man bei der Bombe verwandt hatte, war gebräuchliche Säure, wie sie in Autowerkstätten benutzt wird und in jeder Apotheke zu haben ist.
Ich hob die Schultern. Ich hatte nichts anderes erwartet.
In dem Augenblick läutete schon wieder das Telefon.
Es war Clark Dillard, und seine Stimme klang fremd und hohl, als er am anderen Ende zu sprechen begann: »Mister Cotton? Ich habe ihn!«
»Wen, Mister Dillard? Harvey?« rief ich zurück Seine Antwort kam gequetscht und irgendwie unsicher: »Ja, ich habe ihn gefunden!«
»Wo ist er?« fragte ich.
»Kommen Sie her, Sie können mir helfen!«
»Sind Sie zu Hause? In Richmond?« brüllte ich in die Muschel, aber er hatte schon aufgehängt. Ich wandte mich an Phil. Einen Moment lang sahen wir uns schweigend an, dann meinte Phil nachdenklich:
»Mein Gott, wenn er ihn gefunden hat und unsere Theorie stimmt, dann ist Harvey in Gefahr.«
Wir waren schon an der Tür, als das Telefon zum drittenmal klingelte. Ich hechtete zum Schreibtisch zurück und riß den Hörer von der Gabel.
Aber es war nicht Dillard, sondern Barell.
»Haben Sie etwas von meinem Schwager gehört?« fragte er atemlos. »Ich mache mir schreckliche Sorgen!«
»Was ist los, Mister Bareil?« fragte ich.
Bareil atmete schwer und sagte dann leise: »Ich fürchte, er wird eine Dummheit machen, Wenn er Harvey findet.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo Harvey ist?«
»Nein, ich wollte, ich wüßte mehr, aber ich mache mir um Clark Sorgen!« Ich hängte ein. Der Hörer lag kaum auf der Gabel, als es schon wieder klingelte. Es war der Mann, der die kleine Zigarettenverkäuferin beschattete. Er sprach hastig und war kaum zu verstehen, denn unentwegt donnerten schwere Züge vorbei.
»Ich bin hier am Central-Bahnhof«, sagte er, »die Kleine hat ein Ticket nach Los Angeles gelöst, und zwar erster Klasse!«
Joe Muscoe hatte ihr also Geld gegeben, um sie aus unserer Reichweite zu bringen. Na gut, da war er eben zu spät auf gestanden. Ich sagte dem Kollegen: »Sprechen Sie mit dem Mädchen, weisen Sie sich aus und fragen Sie, wo sie die Dollars her hat. Erzählen Sie ihr, daß Joe Muscoe wegen Mordversuch und Rauschgifthandel gesucht wird. Wir brauchen ihre Aussage über eine ehemalige Kollegin namens Ann Graham. Sie soll alles sagen, was sie weiß.«
»Okay, wo kann ich Sie erreichen?«
»Beeilen Sie sich, und sagen Sie der Zentrale hier Bescheid.«
Ich hängte auf und sagte der Funkzentrale Bescheid. Dann gab ich einen Aufruf an alle Streifenwagen durch, auf einen weißen Bentley zu achten. Ich wartete, bis der diensthabende Sergeant sich die Nummer notiert hatte, dann rannten wir los.
***
Trotz Sirene und Rotlicht blieben wir im Holland Tunnel stecken; die Beleuchtungskörper wurden durch moderne Strahler ersetzt, und die Männer konnten nur nachts arbeiten, wenn sie nicht den ganzen Verkehr zwischen Manhattan und New Jersey lahmlegen wollten. Aber schließlich kamen wir doch weiter und jagten runter nach Bayonne.
Wir bogen in die Midland Avenue ein und bremsten mit aufkreischenden Reifen vor dem Haus der Dillards.
Ich sprang heraus und blieb wie angewurzelt stehen. Irgend etwas stimmte hier nicht. Obwohl überall in dem Haus die Fenster hell erleuchtet waren, konnten wir nichts hören. Oder doch! Schrie da nicht jemand?
Ich rannte los, klopfte gegen die Tür, versuchte sie zu öffnen, hatte aber kein Glück. Ich lief um das Haus.
Phil sauste hinter mir her und keuchte.: »Der weiße Bentley ist jedenfalls weg!«
Wieder hörten wir einen Schrei, diesmal laut und deutlich.
Es war eine Frauenstimme.
Die Verandatür war nicht verschlossen. Ich drückte sie auf und war mit einem Satz in dem geräumigen Wohnzimmer. Es sah aus wie nach einer Schlacht. Die Sessel waren umgekippt, der Teppich zerwühlt und vom Boden gerissen, der Tisch umgekippt und alles, was darauf war, auf dem Boden verstreut.
Der ausgeflossene Whisky hatte den Boden dunkel gefärbt und erfüllte den ganzen Raum mit dem penetranten Geruch einer Hafenkneipe. Die zersplitterten Gläser funkelten in der grellen Beleuchtung der Lampe.
Die Frau lag direkt vor der Couch.
Ich war mit einem Sprung neben ihr und hob sie vorsichtig auf.
»Ist es die Mutter?« fragte Phil kaum hörbar.
»Ja, Ellen Dillard, los, hol Wasser«, sagte ich und legte sie vorsichtig auf die Couch. Phils Frage war berechtigt
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