0419 - Die Klinik der tödlichen Träume
aus.
Ich verdrehte meinen schmerzenden Kopf etwas, um zu sehen, was Fenner machte. Er hatte die Kerze angezündet, sah noch einmal zu mir herüber. Ich versuchte, mich zu bewegen, aber der Schmerz in meinen Augen flammte auf und schwemmte alles hinweg. Ich sah Fenner wie einen fließenden Schatten durch die Räume huschen, vermutlich sah er nach, ob alles Verschlossen war, dann öffnete er die Tür. Der Luftzug bauschte die steife Tischdecke an einer Ecke auf, der Kerzenstummel stürzte um, die Flammen zischten blau züngelnd hoch.
Fenner schrie auf, schlug die Tür zu, warf den breiten Holzriegel vor und lief weg.
Das Geräusch seiner stolpernden Schritte, die sich mehr und mehr entfernten, mischte sich mit dem Knistern der Flammen.
***
Ich sah mich um. Meine Augen irrten wie wahnsinnig in dem flackernden, rot und blau flirrenden Raum hin und her, auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Meine Zähne gruben sich mit unmenschlicher Kraft in den Knebel, um ihn zu zerreißen, aber sie schienen auf Stahl zu beißen, auf dehnbaren, unzerreißbaren Stahl. Eine orange-weiße Flamme glitt wie eine Schlange direkt zu meiner Liege hinüber, die Luft füllte sich mit schwarzen Rauchschwaden. Ich begann zu würgen, meine Stirn war triefend naß.
Ich schätzte die Entfernung zur Tür ab. Entschlossen gab ich mir einen Stoß und rollte mich von der Liege herunter. Meine Füße berührten den Boden schon, als die grellen Flammen den Teppich erreicht hatten und hell aufzischten.
Die glühende Hitze packte mich, und ich warf mich instinktiv zurück an die Wand.
Meine Augen waren jetzt ausgetrocknet, der Schmerz war einer dumpfen Benommenheit gewichen. Die Hitze war so stark, daß ich nur noch mit Mühe atmen konnte, meine Schleimhäute waren ausgetrocknet, und der Knebel begann sich schmerzhaft in mein Fleisch hineinzuziehen.
Vor den Augen tanzten rote und grüne Kreise, Vierecke und abstrakte Figuren herum. Ich dachte plötzlich, ich sei am Strand in der Sonne, alles wäre nur ein Alptraum.
Ich Zwang mich zum Nachdenken, ich wollte nicht ohnmächtig werden, bevor… Mein Gehirn zermarterte sich nach dem Gedanken, den ich eben noch gehabt hatte. Was mußte ich tun, um… dann hatte ich es wieder: Ich mußte bei Bewußtsein bleiben, bis die Flammen mich von meinen Fesseln befreit hatten. Aber vorläufig war genau das Gegenteil der Fall, sie zogen sich in der Hitze zusammen und schnitten mir wie Sicheln in die Haut.
Ich senkte vorsichtig die Beine, die wie mit Blei gefüllt schienen, aber die sengenden Flammen trieben mich zurück. Ich versuchte, die Arme zu den züngelnden Flammen zu bekommen, es klappte nicht. Ich krallte mich in die benzingetränkte Liege, hob noch einmal die Beine, schob sie vorsichtig über die Flammen, die immer näher zu mir heranleckten, und zwang mich, mit zusammengebissenen Zähnen abzuwarten.
Meine Augen waren schmal und verquollen. Ich erkannte undeutlich, wie meine Hose Feuer fing, fühlte den reißenden Schmerz an meiner Wade und sah plötzlich einen der Stricke platzen.
Ich riß die Beine wieder auf die Liege, weinte fast vor Freude und versuchte, die Füße zu bewegen. Ich hatte nicht mehr genug Kraft dazu. Mein Kopf füllte sich mit leichtem Gas und begann zu schweben. Ich sank zurück, wälzte mich noch einmal auf die Seite — und stürzte in irgendeine weite federweiche Tiefe.
Dann war alles dunkel und still um mich.
***
Ich schwebte durch die Luft, war leicht und froh und wußte, daß mir nichts mehr passieren konnte.
Dann hörte ich plötzlich eine Stimme, die mich störte.
»Wenn wir nur ein paar Minuten früher gekommen wären!«
Ich dachte: Die Stimme soll still sein, es ist so schön ruhig hier! Aber die Stimme redete weiter:
»Wenn doch nur der verdammte Wagen mit dem Doc endlich käme!«
Und dann mischte sich ein schreckliches Knattern in die Stille, und irgendwo stürzte ein Berg zusammen.
Ich bäumte mich erschrocken auf, um den Trümmern zu entgehen.
»Mann! Er lebt!« brüllte die Stimme, und ich fühlte einen Schlag im Gesicht, irgend etwas Kaltes, dann sank ich wieder zurück.
Eine zweite Stimme kam näher, murmelte irgend etwas von Sauerstoff, und ein festes Ding wurde mir auf Mund und Nase gepreßt. Ich wollte zurück, ausweichen, brüllen, mich wehren, aber eiserne Hände hielten mich fest und zwangen mich stillzuhalten. Ich versuchte nicht zu atmen, um nicht zu ersticken, aber ich hielt es nicht aus, irgend etwas strömte in mich ein und erfüllte mich
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