0420 - Aibons Schlangenzauber
sich blitzschnell eine Ausrede einfallen lassen.
»In der Firma läuft nicht alles so, wie ich es mir vorstelle. Zwei Leute sind entlassen worden.«
»Welche denn?«
»Kennst du nicht.«
»Haben die mit deinem Job zu tun? Sind das Männer aus dem Außendienst?«
»Auch nicht.«
»Dann sollte es dich nicht berühren.«
»Sicher, du hast recht.«
Helma drehte sich um. »Ich gehe in die Küche und räume dort noch etwas auf.«
»Tu das.«
Pernell Hendricks blieb vor der Scheibe stehen. Sein Blick glitt abermals durch den Garten. Dunkelheit und Licht wechselten sich dort ab. Wenn der Wind auffrischte und die Zweige der Sträucher von der Dunkelheit her in das Licht schob, hatte der Mann das Gefühl, als würden Schlangen aus dem Boden wachsen.
Schlangen, immer wieder Schlangen!
Er konnte sie einfach nicht vergessen. Am liebsten hätte er seine Sachen gepackt und wäre verschwunden. Hinter dem Feld wuchs der dichte Wald. Dort lauerte die Schlange. Vielleicht blieb sie nicht dort. Wenn sie Appetit verspürte und im Wald nichts mehr fand, würde sie sich auf den Weg machen und Menschen verschlingen.
Das bereitete Pernell Sorgen, obwohl es längst nicht feststand, daß die Schlange kam.
Seine Hände waren feucht geworden. Fast wäre ihm sogar das Glas aus den Fingern gerutscht. Hastig trank er es leer. Der Whisky hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund.
Ich muß etwas tun, dachte er. Irgendwas muß ich unternehmen.
Wenn er sich vorstellte, daß es die Schlangeauf seine Tochter abgesehen haben könnte, wurde ihm schwindlig.
Als er das Glas auf den Tisch mit der Marmorplatte setzte, stand sein Entschluß fest. Ob es half, wußte er nicht, aber er wollte sich auf jeden Fall bewaffnen und sich das Gefühl einer relativen Sicherheit verschaffen. Ein Gewehr oder eine Pistole besaß er nicht.
Um eine Waffe zu holen, mußte er nach draußen, wo der kleine Stall stand, den er im vorigen Sommer gebaut hatte. In der Diele traf er seine Frau.
Helma wunderte sich, als ihr Mann seine Jacke überstreifte. »Du willst noch weg?«
»Nur in den Garten.«
»Was machst du denn da?«
»Nachsehen.«
»Wonach?«
»Ich glaube, daß mit einer der Lampen etwas nicht stimmt. Ich sehe nur nach dem Kabel.«
»Kannst du das nicht morgen im Hellen…?«
»Nein, da muß ich weg. Ich habe in den nächsten beiden Tagen außerhalb zu tun und weiß nicht, ob ich am Abend noch nach Hause komme. Es ist besser, wenn ich jetzt nachschaue.«
»Wie du willst. Ich muß sowieso noch die Küche wischen.«
Pernell wandte sich um und verdrehte die Augen. Er sagte nichts, es wäre sowieso sinnlos gewesen. Seine Frau änderte er nicht mehr.
Das war der richtige Hausdrachen.
Helma verschwand in der Küche. Pernell hörte das Wasser in einen Eimer laufen.
Als er die Haustür öffnen wollte, rief seine Tochter nach ihm. Sie stand in halber Höhe auf der Treppe, trug bereits ihr Nachthemd und schaute zu ihrem Vater hinab.
»Was ist denn, Kind?«
»Ich möchte dir noch eine gute Nacht wünschen.«
»Dann komm.«
Das Mädchen warf sich in seine Arme. Beide schienen das Gefühl zu haben, daß es ein Abschied für immer war, und sielösten sich erst voneinander, als Helma rief: »Komm, Eileen, sag mir gute Nacht, bevor es hier in der Küche naß ist.«
Pernell gab seiner Tochter einen Klaps. »Geh schon. Mummy hat recht. Ich sehe nur mal nach den Lampen.«
Eileen zog ein wissendes Gesicht. Sie glaubte ihrem Vater die Ausrede nicht.
Als sie in die Küche ging, blickte sie zurück, und der Mann sah den traurigen Ausdruck in den Augen seiner Tochter. Er ballte die rechte Hand zur Faust. Fast wirkte die Geste schon verzweifelt.
Dann drehte er sich um und öffnete die Haustür. Er zog sie sacht ins Schloß und schritt über den schmalen Plattenweg dicht an der Hauswand vorbei. Er warf auch noch einen Blick durch das Küchenfenster. Helma wischte bereits, und Eileen huschte soeben aus dem Raum.
Der Schuppen lag im Garten. Die Hendricks hatten den Bausatz bei einem Versandhaus bestellt und zusammengesetzt. Einmal war er bei einem Orkan zusammengebrochen, ansonsten tat er seine Dienste. Er stand an der Grenze zum Nachbargrundstück, dicht an einer hohen Wand aus weißen Steinen, die Pernell hatte ziehen lassen.
Ein Vorhängeschloß sicherte die Schuppentür. Dafür jedoch hatte der Mann keinen Blick. Er schritt erst durch den Garten und bewegte sich besonders nahe der Lichtinseln, um zu sehen, ob es etwas Verdächtiges gab.
Das war
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