0420 - Der Magier von Lyon
des Dämonenjägers Zamorra wurde immer riskanter. Wer würde der nächste sein? Nicole? Gryf und Teri, die beiden Druiden? Der russische Parapsychologe Saranow? Fenrir, der Wolf? Ted Ewigk?
Ihn, Zamorra, konnten sie nicht umbringen. Das hatte noch keiner geschafft. Aber sie konnten ihn demoralisieren, indem sie seine Gefährten ermordeten. Einen nach dem anderen. Und er war diesmal tatsächlich hart daran gewesen, aufzuhören, alles hinzuwerfen und sich aus dem ewigen Kampf gegen die Höllenmächte zurückzuziehen. Aber dann hatte er sich wieder aufgerafft. Diesen Gefallen wollte er Luzi fuge Rofocale nun doch nicht tun…
Er ließ sich von Raffael Bois, seinem alten und zuverlässigen Diener, vom Lyoner Flughafen abholen. Er war erstaunt, welche Fortschritte die Restaurierungsarbeiten am Château Montagne in den letzten Wochen gemacht hatten. Der nach einem Dämonenangriff teilzerstörte Haupttrakt des Bauwerkes, das in seiner Gesamtheit eine gelungene Mischung aus Schloß und Burg darstellte, war äußerlich fast völlig wiederhergestellt. Nur noch Feinarbeiten an der Fassade waren vonnöten, und ein Teil der Gerüste war bereits wieder abgebaut worden.
»Drinnen sieht es allerdings nicht so gut aus, Monsieur«, warnte Raffael vor.
Zamorra, in einer seltsamen Stimmung, schüttelte den Kopf. »Raffael«, sagte er, »wir kennen uns doch nun schon eine kleine Ewigkeit, und Sie haben für den früheren Besitzer der Burg gearbeitet, und seit ich sie erbte, für mich, und das ist doch nun auch schon unverschämt lange her, daß wir uns kennen. Können Sie nicht endlich mal auf das steife und förmliche ›Monsieur‹ und ›Professor‹ verzichten und einfach nur ›Zamorra‹ sagen?«
»Monsieur, eine solche Vertraulichkeit steht mir in meiner Stellung nicht zu«, wehrte Raffael ab, der Nicoles weißen BMW 635i schwungvoll in den Innenhof des Châteaus fuhr. Zamorras Mercedes stand immer noch motorlos in einer Werkstatt unten im Dorf an der Loire, und Zamorra hatte schon fast gar keine Lust mehr, den Wagen wieder fitmachen zu lassen. Er ließ sich mit Nicoles BMW-Coupé spazierenfahren.
Er knurrte.
»Es gibt zwei Möglichkeiten, Raffael«, sagte er. »Entweder akzeptieren Sie, daß Ihnen diese Vertraulichkeit gewährt ist, oder Sie verzichten darauf, und Sie sind gefeuert. Dann können Sie allerdings sogar Vollidiot zu mir sagen.«
Raffeal schluckte. »Meinen Sie das im Ernst, Monsieur?«
»Raffael!« Zamorra hob die Brauen. »Himmel, Sie sind nun schon so alt und weise und kennen mich so lange und gut, da sollten Sie…«
Er verstummte.
»Also gut, Zamorra«, seufzte Raffael. »Aber erlauben Sie mir die Bemerkung, daß das ein Akt der Erpressung war. Sie wissen doch, daß ich Sie nicht hier im Stich lassen kann.«
Zamorra nickte. »Eben«, grinste er. Eigentlich hätte Raffael bereits vor mehr als zehn Jahren in Pension gehen können. Aber er wollte einfach nicht. »Mein Beruf, Monsieur, ist meine Berufung, und ohne ihr folgen zu können, würde ich innerhalb weniger Wochen sterben«, pflegte er zu behaupten, und Zamorra wußte nur zu gut, daß es stimmte. Deshalb hatte er den alten Mann in seinem Dienst behalten — und es keine Sekunde lang bereut. Raffael war der zuverlässigste Diener, den er jemals kennengelernt hatte, und er war allgegenwärtig und sah praktisch alles voraus. Wann immer seine Dienste gebraucht wurden — er war da, gerade so, als schlafe er nie. Er sorgte umsichtig für alles. Aber oft genug schon hatte Zamorra sich nach der langen Zeit eine geringere Distanziertheit gewünscht. Jetzt, fand er, war es an der Zeit, sie durchzusetzen.
Er sah sich im Château um.
Es würde noch eine Weile dauern, bis sie aus dem Seitentrakt wieder in das Haupthaus würden umziehen können, das damals fast völlig ausgebrannt war. Aber die Arbeiten machten rasche Fortschritte.
In den nächsten Tagen versuchte Zamorra, Ruhe zu finden. Am ersten Nachmittag ließ er sich von Raffael hinunter ins Dorf fahren, verschwand in der einzigen Gaststätte und spielte Talsperre. Mostache, der Wirt, staunte Bauklötze, weil er den Professor in dieser Form noch nie erlebt hatte. Zamorra hielt normalerweise auch nichts davon, sich sinnlos zu betrinken, aber in diesem Fall tat er es ganz gezielt. Es war Teil eines Verdrängungsversuches, und als er schließlich am Fenstertisch einzuschlafen begann, packten Mostache und der junge Pascal ihn und brachten ihn in eines der Gästezimmer. Eigentlich hatte Lafitte ihn zum
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