0420 - Der Magier von Lyon
Erkundigungen eingezogen?«
»Natürlich. Ein zweites Mal mache ich nämlich nicht denselben Fehler. Sie haben vor Jahren an der Sorbonne unterrichtet, auch in New York… Hin und wieder halten Sie noch Gastvorlesungen an internationalen Hochschulen, haben sich aber zurückgezogen, um in Ruhe Ihre Forschungen betreiben zu können. Sagen Sie, kann man von den Forschungen eigentlich leben? Noch dazu in einem solchen prächtigen Loire-Schloß? Allein der Unterhalt muß doch eine Menge Geld kosten.«
Zamorra seufzte vernehmlich. Seine finanzielle Ausstattung ging den Dicken doch nun wirklich nichts an.
»Monsieur Vaultier, Sie haben also mich überprüfen lassen und für würdig befunden, jemand anderen für Sie zu überprüfen. Und das ist Ihnen fünfzigtausend France wert.«
»Sagte ich das? Hm… ja. Kennen Sie Tibor Thibaut?«
»Nie gehört.«
»Also, das wundert mich schon. Tibor Thibaut ist so etwas wie ein Insider-Tip für Leute, die Hilfe brauchen.«
»Warum wenden Sie sich dann nicht an ihn?«
Der Dicke grinste. »Sie wollen mich loswerden, wie? Aber damit verschenken Sie die fünfzigtausend. Für so leichtfertig hatte ich Sie nicht gehalten. Bitte, Professor - diesen Thibaut sollen Sie sich mal unter die Lupe nehmen. Ich habe nämlich das Gefühl, daß es sich bei ihm um einen Betrüger handelt, der mich nach Strich und Faden hereingelegt hat.«
»Er war also Ihr Fehler, den Sie bei mir nicht wiederholen wollen«, überlegte Zamorra. »Ich verstehe nur nicht, weshalb Sie dafür einen Parapsychologen brauchen.«
Vaultier schenkte sich den dritten Cognac ein. »Weil Tibor Thibaut ein Magier ist«, sagte er.
Da spitzte Zamorra die Ohren. »Bitte?«
»Ganz richtig. Ein Magier. Einer von diesen Leuten, die Lebenshilfe in allen Lagen versprechen und mit Magie zu erreichen versuchen, was man selbst aus eigener Kraft nicht schafft.«
Allmählich begann Zamorra zu begreifen. So wie drüben in Deutschland seit ein paar Jahren die Esoterik-Welle schwappte und kein Ende mehr finden wollte, weil mehr und mehr Menschen aus einer feindlichen Computerwelt in übersinnliche Gefilde zu flüchten versuchten und dort ihren Gegenpol finden wollten, so breiteten sich in Frankreich Magier als Lebenshelfer aus, wie es in England jede Menge Hexen-Clubs gab. Nur wirkten die nach innen und traten selten mal an die Öffentlichkeit, aber diese französischen Magier heischten nach Kundschaft und inserierten notfalls sogar in Zeitungen. Es war ein recht gut florierendes Gewerbe geworden. Bisher hatte Zamorra sich nicht im mindesten dafür interessiert. Er fand, wer sein Geld irgend welchen Scharlatanen in den Rachen warf, die mit ein wenig Hokuspokus scheinbare Wunder vorgaukelten, sei selbst dran schuld. Diese Magier waren für ihn nichts anderes als geschickte Gaukler und gute Psychologen, die ihre Kundschaft durchschauten und ihnen Psychoprogramme zuschneiderten, die ihnen halfen oder nicht. Je nachdem, wie intensiv diese Kunden an den faulen Zauber glaubten, der ihnen mit künstlichen Ritualhandlungen vorgemacht wurde.
Deshalb war ihm auch der Name Thibaut kein Begriff.
Nichts für mich, wollte Zamorra sagen. Aber dann sagte er es doch nicht. Wem konnte es schaden, wenn er diesem Thibaut einmal einen Besuch abstattete? Sein Urteil über den Magier stand so oder so fest, aber er wollte Vaultier die Chance geben, die 50 000 Francs nicht umsonst aus dem Fenster zu werfen. Deshalb teilte er ihm klipp und klar mit, was er von Thibaut hielt. »Das Geld für diese Auskunft können Sie sich sparen, Monsieur Vaultier, denn die ist gratis.«
»Ach, Professor, den Monsieur können wir uns doch sparen. Sagen Sie einfach Henri zu mir.«
Das war Zamorra doch etwas zu plump. Er blieb bei der förmlichen Anrede und registrierte, daß Vaultier bereits den vierten Cognac bekämpfte. Aber Wirkung zeigte er nicht.
»Was sollte Thibaut denn für Sie tun, Monsieur Vaultier?« wollte Zamorra wissen. »Oder berührt diese Frage zu sehr Ihre Privatsphäre?«
»Oh, gewiß nicht, gewiß nicht. Sehen Sie, ich bin ein etwas schüchterner Mensch. Ich engagiere mich ein wenig in der Politik, aber bei dem, was ich in diesem Bereich tun kann, fühle ich mich einfach unterfordert. Ich möchte höher hinaus, in eine größere Verantwortung genommen werden. Und ich ging zu Thibaut, um seine Unterstützung zu erhalten. Aber bis jetzt hat sich trotz mehrerer Sitzungen kein Erfolg gezeigt.«
Ach du grünes Krokodil, dachte Zamorra. Er erinnerte sich, daß
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