0421 - Ein Gangster will New York beherrschen
vier Buchstaben auftätowiert: H-A-S-S. Auf die Finger seiner rechten Hand waren dagegen die Buchstaben L-I-E-B-E tätowiert. Er verschlang die Hände, so symbolisierend, dass Hass und Liebe miteinander kämpften. Ein zweifellos eindrucksvoller Trick, der ihm bei seinen Erweckerversammlungen recht nützlich sein mochte.
»Bruder Cotton, mir geht es im Augenblick nicht darum, Ihnen die ewige Wahrheit zu bringen, wenngleich ich immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben habe, Sie dereinst in den Reihen der Gerechten der letzten hundert Tage willkommen heißen zu dürfen. Mir geht es um etwas anderes.«
Ich sperrte auf.
»Worum denn?«
»Ich sah vorhin, dass ein toter Mann aus Ihrer Wohnung getragen wurde.«
»Aha, das hat Ihre Fantasie erregt.«
»Fantasie«, schnaubte er. »Was ist des Geistes Gaukelwelt, da es die Wahrheit gibt. Die ewig leuchtende, reine Wahrheit!«
Ich betrachtete ihn nachdenklich und sagte: »Bruder Davis, Sie haben jetzt Gelegenheit, mir in wenigen Sätzen klar und deutlich zu sagen, was Sie auf dem Herzen haben. Ihre verschrobenen Wendungen können Sie sich für Ihren Verein aufsparen. Also reden Sie. Aber machen Sie’s um Himmels willen kurz!«
»Bruder Cotton«, er schob sich heran, »ich habe diesen Mann nicht nur gesehen, als er aus Ihrer Wohnung herausgetragen wurde. Ich sah ihn schon, als er hineinging.«
»Kein Wunder, da Sie ständig auf den Gängen herumschnüffeln.«
»Ja, aber es gibt da etwas, was Sie interessieren dürfte. Der Mann war nicht allein. Er war in Begleitung einer Frau!«
Ich packte ihn an den Schultern.
»Ist das wahr?«
Er blinzelte mich listig an.
»Glauben Sie, die Tatsache, dass ich erleuchteter Erwecker bin, hätte meinen klaren Sinn für die Wirklichkeit beeinträchtigt?«
»Ihre Preise sprechen nicht dafür.«
»Ich weiß, was ich gesehen habe. Der Mann war in Begleitung einer Frau. Das ist nichts Außergewöhnliches, sagte ich mir, aber Sie sind Polizist, Bruder Cotton, und der Mann war eine Leiche, als er aus Ihrer Wohnung getragen wurde, und daher nehme ich an, dass meine Beobachtung Sie interessieren wird. Wie gesagt, wenn ich als kleine Gegenleistung damit rechnen dürfte, Sie einmal auf einer unserer Versammlungen begrüßen zu dürfen…«
»Wie sah die Frau aus?«
Er verdrehte die Augen.
»Sie war die Sünde!«
»Mann, reißen Sie sich zusammen«, sagte ich ärgerlich. »Was ich brauche, ist eine klare Beschreibung!«
»Nun, sie blieb unten im Flur, und deshalb sah ich sie nicht aus der Nähe. Sie wartete auch nur ein paar Minuten und fuhr dann mit einem Wagen davon. Aber sie war weißblond, hatte eine Figur wie Lots Weib, wenn ich mal so sagen darf…«
»Moment«, sagte ich. Mir war ein Verdacht gekommen. Ich ging in die Wohnung und holte aus dem Schreibtisch sechs Fotos von weißblonden Schönheiten, die ich noch von früheren Fällen her besaß. Ich nahm das Bild von Laurie de Mille, das ich besaß, seit sie in unseren Ermittlungen eine Rolle spielte, und mischte es darunter.
»Sagen Sie mir, ob Sie die Frau auf einem dieser Bilder wiedererkennen!«
Er brachte umständlich eine Brille mit Stahlrand zum Vorschein und setzte sie auf. Sein Geierschädel wackelte, als er die Bilder betrachtete.
»Weißblond scheint Ihr Geschmack zu sein, Bruder Cotton…«
»Wir unterhalten uns hier nicht persönlich«, knurrte ich. »Also, wie sieht’s aus?«
Er zog ein Foto heraus, betrachtete es eingehend.
»Das hier ist sie. Kein Zweifel!«
Ich nahm das Bild. Es war Laurie. Laurie de Mille, die angeblich auf der Seite des ermordeten Harper gestanden hatte. Laurie, die uns im Fremont Klub vor Adams’ Absichten gewarnt hatte.
Ich hatte einen anderen Eindruck von ihr gehabt. Gewiss, sie arbeitete bei Adams, aber ich hatte nicht geglaubt, dass sie an seinen verbrecherischen Plänen teilhatte.
Aber warum sollte Jerome Davis lügen? Und vor allem - er kannte Laurie ja überhaupt nicht. Wenn er jetzt also das richtige Bild herausfand, war das ein klarer Beweis dafür, dass er die Wahrheit sprach. So wunderlich der Mann auch sein sollte - hier schien er richtig beobachtet zu haben.
Jetzt wurde mir auch einiges klar. Laurie hatte den Killer begleitet. Als er nicht wiederkam, merkte sie, dass etwas schiefgegangen war. Sie fuhr zu Adams, warnte ihn, und er floh.
Laurie de Mille war also Nummer 15 der Bande.
Ich konnte nicht sagen, dass mir der Gedanke gefiel. Mein Eindruck von ihr war ein anderer gewesen. Und da stand ich wieder vor der alten
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