0424 - Im Zeitstrom verschollen
in das Rumoren der Berge mischte sich der Donner der Explosionen und das Hämmern herabstürzender Steine auf das Dach. Bull wurde von einem Stein getroffen. Deighton war kaum noch zu sehen.
Bull taumelte auf den Gleiter zu, der einem wahren Trommelfeuer kleinerer Steine ausgesetzt war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Berghangs explodierte eine Energiestation; der Lichtblitz war so hell, daß er bis weit aufs Meer hinaus gesehen werden konnte.
Einen Augenblick war es fast vollkommen still; als wollte das Land Atem holen, um dann mit unverminderter Wucht erneut loszuschlagen.
Geblendet erreichte Bull die Gangway des Gleiters. Er riß den Einstieg auf. Deighton hatte die Maschine inzwischen ebenfalls erreicht. Sie kletterten hinein und ließen sich keuchend auf die Sitze fallen. Noch immer halb blind, tastete Bull nach den Schaltungen. Der Gleiter hob ab. Bull ließ ihn nach oben rasen, bis er ein paar hundert Meter über dem Mount Lemur schwebte.
Bulls Mund war ausgetrocknet, die Zunge klebte am Gaumen.
Seine Hände zitterten.
„Sie bluten", stellte Deighton fest. „Ihr Arm muß verbunden werden."
Bull achtete nicht darauf. Früher oder später würden die heilenden Kräfte seines Zellaktivators dafür sorgen, daß sich die Wunde schloß.
Der Staatsmarschall blickte aus dem Seitenfenster ins Enadatal hinab. Zwischen Rauch und Trümmern sah er das Gebilde aus fremdartiger Energie, das nach wie vor genau die Form der Kuppel besaß. Es war nicht beschädigt worden.
Das Enadatal jedoch existierte nur noch seinem Namen nach.
*
In der Stadt dachte man zunächst, die Erschütterungen würden ein neues Beben ankündigen. Im Hotel mixte Myko seelenruhig seine Drinks und erzählte den Gästen in der Bar, daß Weiko-La, „der Erhabene", wieder einmal auf seine Art gegen die Anwesenheit der fremden Wissenschaftler protestierte. Dann jedoch wurde das Beben stärker, und von der Straße hörte man vereinzelte Schreie. Myko und seine Gäste verließen die Bar und traten auf die Straße hinaus. Über dem Gipfel des Mount Lemur hatte sich eine dunkle Rauchwolke gebildet.
„Ein Vulkanausbruch!" schrie eine Touristin. „Ein Vulkanausbruch!"
Ihr Mann versuchte sie zu beruhigen, doch sie hörte nicht auf, immer wieder diese beiden Worte zu schreien, bis er sie schließlich in den Vorraum des Hotels zerrte, wo sie schluchzend in einen Sessel sank.
Myko sah, daß die Rauchwolke nicht die Folge eines Vulkanausbruchs war, denn sie war zweifellos im Enadatal entstanden, wo die Fremden gearbeitet hatten.
Myko lächelte vor sich hin.
Der Berg ließ sich sein Geheimnis nicht entreißen.
Wahrscheinlich hatte er die gesamte Anlage, die dort oben entstanden war, mit einem Schlag zerstört. Sicher hatten die Fremden durch einen Fehler dazu beigetragen, aber das schmälerte nicht die Macht Weiko-Las.
Der größte Teil der Stadtbewohner hielt sich jetzt in den Straßen auf oder begab sich zum Strand, denn dort war man vor der Gefahr einstürzender Gebäude sicherer. Ein paar notdürftig aufgestellte Schuppen waren bereits zusammengebrochen, aber die größeren Gebäude konnten auch stärkere Erschütterungen überstehen.
Einer der Hoteldiener kam auf Myko zugelaufen. Er schwitzte - ob aus Angst oder vor Anstrengung war nicht festzustellen.
„Die Videophone sind ausgefallen!", rief er Myko zu. „Wir können auch keine Verbindung zur Inselverwaltung herstellen."
An Bord der Schiffe, die im Hafen ankerten, stellte man ähnliche Phänomene fest. Fremdartige Energie ließ keinen Funkverkehr zu.
In den Empfängern war nur lautes Rauschen und Knistern zu hören. Viti Levu war ebenso wie die benachbarten Inseln vom Funkverkehr mit der übrigen Welt abgeschnitten. Die Wolke über dem Mount Lemur breitete sich schneller aus, ihre ersten Ausläufer verdeckten bereits die Sonne. Dabei wurde es immer heißer, denn der Wind war völlig zum Erliegen gekommen.
Touristen, die um diese Zeit auf Fischfang waren, schworen später, das Meer hätte eine silberne Farbe angenommen und die Wellen wären sekundenlang zum Stillstand gekommen. Der Fremdenführer Seiko Handrop, der eine Touristengruppe zu dem über der Stadt gelegenen Tempel der Amato-Göttin geführt hatte, behauptete, daß er und seine Begleiter minutenlang wie erstarrt auf ihren Plätzen gestanden hätten und nicht in der Lage gewesen seien, auch nur einen Schritt zu tun.
Dann brach der erste Vulkan auf. Er entstand auf einem der namenlosen Gipfel rund um den Mount
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