0425 - Das Mädchen und die Todesperlen
grinste. »Natürlich. Von mir hatten die beiden doch den Tip über die Lagatta-Perlen. Ich kannte damals einen Burschen, der bei der Versicherungsgesellschaft als Detektiv angestellt war und immer den Transport von der Bank des Millionärs besorgt hat. Der Bursche hat mir den Tip gegeben.«
In Dardanos Brust zog sich etwas wie ein heißer Klumpen zusammen. Der Tramp ahnte, daß ihn dieser rotgesichtige grausame Mann töten würde. Zuviel hatte er schon verraten.
»Mister«, sagte der Tramp mit schwacher Stimme, verbesserte sich aber sofort, »Sir, bitte lassen Sie mich leben. Ich haue sofort ab, verschwinde für immer. Ich werde nie wieder nach New York kommen. Ich springe auf den nächsten Zug und dampfe ab nach Westen. Oder nach Mexiko. Oder wohin Sie wollen. Und wenn man mich doch erwischen sollte, dann werde ich nie ein Wort über Sie verlieren. Ich kenne Sie nicht. Nie gesehen. Nie…«
Wortlos beugte sich Raffert über den Gefesselten. Seine plumpen Hände preßten wieder den Pflasterstreifen über den zitternden Mund. Dardanos Worte gingen in ein Gurgeln über.
Raffert riß einen zweiten Streifen von der Rolle, klebte ihn ebenfalls über Dardanos Mund, nahm dann einen dritten Streifen und drückte ihn von unten und von beiden Seiten fest gegen Dardanos Nasenflügel.
Gelähmt vor Entsetzen, spürte der Tramp, daß er weder durch die Nase noch durch den Mund Luft bekam. Verzweifelt versuchte er mit der Zunge, das Pflaster von seinen Lippen zu stoßen. Aber es saß fest wie Kitt.
Der Alte bäumte sich auf. Schon trieb ihm Atemnot dicke Schweißperlen auf die Stirn. Das Blut in seinen Schläfen begann wie mit Hämmern zu klopfen. Der Alte wälzte sich zur Seite, hörte ein Tosen in den Ohren und wischte mit einem letzten Blick über das reglose Gesicht seines Peinigers.
Dann starb der Tramp.
Der Mörder rührte sich nicht, wartete, hielt den ausdruckslosen Blick auf das Opfer gerichtet. Fieberhaft mühten sich seine Gedanken, mit der neuen Idee fertig zu werden. Für ihn war es bereits eine Tatsache, daß Flynn die Perlen mit Brieftauben aus dem verlassenen Haus befördert hatte.
Raffert bückte sich und wickelte den Sack um die Leiche. In einem Schubfach fand er genügend Stricke, um die graue Leinwand festzubinden. Dann ging der Mörder zur Tür. Er schloß auf, trat in den muffigen Flur und lauschte.
Das Haus war still bis auf ein kreischendes Radio in einem der oberen Stockwerke.
Der Mörder trat auf den Hof. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er in die Sonne. Sein Blick galt den Rückfronten der Häuser. Zwei Fenster waren weit geöffnet, aber niemand zeigte sich.
Raffert ging in die Wohnung zurück, lud sich den Toten auf die Schulter, lief auf den Hof, öffnete mit der Linken den Kofferraumdeckel und ließ seine Last hineinfallen. Als er sich aufrichtete, strich sein Blick wieder über die Fenster. Im gleichen Moment traf ihn der Schreck wie ein Schlag gegen den Magen. Aus einem der geöffneten Fenster beugte sich eine fette, schlampig gekleidete Frau. Neugierig schaute sie zu Raffert hinunter.
Er kannte die Alte. Wußte nicht ihren Namen, war ihr aber häufig im Hause begegnet. Sie hatte acht Kinder und einen Trinker als Mann, der seinen geringen Lohn in billigen Whisky umsetzte, betrunken nach Hause kam und dann die ganze Familie verprügelte.
Raffert nickte der Frau zu. Nicht freundlicher als sonst, aber auch keine Spur kühler.
Ohne auffällige Hast schloß er den Kofferraum, ging scheinbar gemächlich ins Haus zurück, verschloß seine Wohnungstür, kam zurück, klemmte sich hinters Steuer und fuhr langsam davon.
Sein Ziel war die Metropolitan Avenue in Queens. Dort wohnte in einem billigen Apartmenthaus ein Mädchen namens Leila Quinn. Es war Fotomodell und hatte einen zweifelhaften Ruf. Seit Flynns Tod hatte der Mörder die Frau nicht mehr gesehen. Sie war nicht mehr interessant, denn obwohl sie Flynns Freundin gewesen war, hatte man sie damals nicht eingeweiht.
Während Raffert durch den frühen Nachmittag fuhr, dachte er angestrengt nach. Daß das Girl von Flyn unterrichtet worden war und daß sie die Perlen hatte, hielt er für unmöglich. Leila Quinn war unzuverlässig und ziemlich dumm. Aber vielleicht konnte sie trotzdem einen Tip geben. Vielleicht wußte sie etwas über Bekannte von Flynn, die Brieftauben züchteten.
Der Mörder schreckte aus seinen Gedanken hoch, als vor ihm ein Ampellicht auf Rot sprang. Gerade noch rechtzeitig stemmte er die Füße auf Kupplung und
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