0425 - Das Mädchen und die Todesperlen
gefurchter Stirn.
»Das behaupte ich erst, wenn wir die Perlen haben.«
»Wieso?« Die Frage kam blitzschnell. »Glaubst du, daß wir noch eine Chance haben, die Perlen zu erwischen?«
»Das will ich meinen. Denk doch mal nach! Vor zwei Jahren hat Denis die Perlen vermutlich per Brieftaube an irgend jemanden abgeschickt. Wenn ich nicht wüßte, daß du ein anständiger Kerl bist, Leila, könnte ich dich sogar im Verdacht haben.« Raffert schwieg und blickte sich in dem häßlichen, ärmlich eingerichteten Apartment um. Dann verwarf er den Gedanken sofort wieder. Hier herrschte bittere Not. Das Girl hatte die Perlen bestimmt nicht bekommen. »Irgend jemand hat vierzig Perlen im Werte von 800 000 Dollar. Bis man die Dinger irgendeinem Hehler zum Verkauf anbieten kann, muß man in Anbetracht der heißen, gefährlichen Ware mindestens ein Jahr warten. Und dann hat der Empfänger das Zeug bestimmt nicht auf einmal verscheuert. Das heißt, einen Teil der Perlen können wir vermutlich noch erwischen, wenn wir herauskriegen, wer sie hat. Und selbst wenn der Perlenempfänger die Dinger auf einmal verkauft hat, dann muß er noch so viel Bargeld in den Händen haben, daß es sich lohnt, ihn mal vorzunehmen.«
»Du bist nicht auf den Kopf gefallen, Ned.«
Der Mörder grinste. »Denk mal nach, Leila. Du weißt doch ’ne Menge über Denis. Er hat hier bei dir gewohnt. Aber irgend jemand aus seinem Freundeskreis muß einen Taubenschlag besessen haben. Wer?«
»Außer mir, dir, Jack Shane und Veronica hatte Denis keine Freunde. Und ich weiß auch nicht…« Sie stockte. Eine dunkle Röte kroch in ihr Gesicht. Der rehäugige Blick irrte von Raffert ab und heftete sich an einen imaginären Punkt auf der nackten, weißgekalkten Zimmerwand.
»Wenn dir was einfällt, Leila«, sagte der Mörder langsam, »dann tust du gut daran, es mir zu sagen.«
Die Frau nickte. »Denis hatte eine Schwester. Er hat sie zwei- oder dreimal vor dem Coup besucht. Ich habe später nicht mehr daran gedacht, aber das kann es sein.«
»Wo wohnt sie?« Raffert hatte Mühe, seinen Atem ruhig zu halten.
»Wo war das noch?« Das hübsche Gesicht erstarrte zu einer nachdenklichen Maske.
»Du kennst die Adresse?«
»Natürlich. Wir waren doch mal zusammen dort. Allerdings mußte ich vor dem Haus warten, während Denis mit seiner Schwester sprach. Jetzt weiß ich es wieder.: Es war draußen in Hempstead auf Long Island.«
»Die genaue Adresse?«
»Es ist ein kleines weißes Haus am Ortseingang. Auf der rechten Seite. ’Genau gegenüber liegt ein Friedhof.« Raffert erhob sich. »Mit dir kann man arbeiten, Leila. Ich werde mich dort umsehen. Falls von den Perlen oder — falls sie verkauft sind — von dem Geld noch was übrig ist, fallen ein paar Tausender für dich ab.«
»Ich verlaß mich darauf, Ned.« Auch die Frau hatte sich erhoben. Mit- wiegenden Hüften trat sie dicht an den Grauhaarigen heran und blickte ihm voll in die kalten, farblosen Augen. »Wenn wir erst aus dem Schneider sind, wäre es doch gar nicht schlecht, wenn wir beide mal ein paar Wochen Urlaub machten.«
»Darüber läßt sich reden.« In Gedanken setzte er hinzu: Nicht einen Cent wirst du sehen.
»Du bist immer noch mit Veronica zusammen?« fragte das Girl.
»Ja. Aber das läßt sich ändern.« Er kniff sie lächelnd in den nackten Arm, wandte sich dann zur Tür und verließ die Wohnung. Als er auf die Straße trat, sah er, daß sich ein rothaariger Bursche an der linken Vordertür des blauen Chevrolet zu schaffen machte.
Raffert preschte los. Der Rotkopf hörte die Schritte, blickte auf, sah Raffert, warf sich herum und flitzte quer über den Parkplatz davon. Schwer atmend blieb der Mörder neben dem Wagen stehen. Aus dem winzigen Spalt, den die Seitenscheibe noch offenstand, hing ein dünner Draht. Sein unteres Ende war zu einer kleinen Schlinge gebogen, die sich bereits um den inneren Sicherungsstift der Tür gelegt hatte. Wenige Sekunden später hätte der Rothaarige die Tür aufgehabt.
Die Zündung kurzschließen, war für einen gewiegten Autodieb kein Problem. Raffert lief es kalt über den Rücken, als er sich vorstellte, was hätte passieren können, wenn man ihm den Wagen samt der Leiche gestohlen hätte.
Es wird höchste Zeit, daß ich ihn loswerde, dachte der Mörder. Dann setzte er sich hinters Lenkrad, rollte vorsichtig von dem kleinen Parkplatz und fuhr die Avenue hinab.
Bis Hempstead war es nicht weit. Aber Raffert machte einen Umweg. Der Chevrolet rollte
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