0425 - Das Mädchen und die Todesperlen
notierte sich die Adresse. »Wann ist sie weggezogen, Mister…?«
»Ich bin Ben F. Meyen.«
Raffert nickte nur.
»Ziemlich genau vor einem halben Jahr.«
»Hat sie ihre Brieftauben mitgenommen?« Das war ein blinder Schuß, aber die Kugel traf ins Schwarze.
»Nein, die hat sie mir geschenkt. Das heißt, es waren ja gar nicht ihre. Sie gehörten dem Bruder, der… Aber das wissen Sie ja sicherlich.«
Raffert nickte. »Und ob wir das wissen.«
»Wenn Sie Miß Flynn aufsuchen«, sagte der Alte, und sein mageres Gesicht rötete sich vor Freude, »dann grüßen Sie sie von mir. Vor allem Hattie fehlt mir sehr.«
»Hattie?«
»Miß Flynns Tochter. Muß jetzt schon drei Jahre alt sein.«
»Die Frau ist verheiratet?«
»Nein. Irgendein Kerl hat sie sitzenlassen.« Plötzlich verfinsterte sich das Gesicht des Alten. »Sagen Sie mal, Miß Flynn hat doch mit der Sache mit ihrem Bruder nichts zu tun, nicht wahr? Sie wollen sie doch nur als Zeugin vernehmen?«
»Sie können beruhigt sein. Nur als Zeugin!«
»Wegen der Perlen?«
»Sehr richtig.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Das ist nun schon zwei Jahre her. Und jetzt erst taucht die Polizei auf.«
»Wir haben nicht gewußt, daß Flynn eine Schwester hatte. Aber sagen Sie mal — hat sich Miß Flynn eigentlich um die Brieftauben ihres Bruders gekümmert?«
»Natürlich. Flynn nahm die Tiere oft mit und ließ sie von irgendwo, meistens draußen von Long Island, abschwirren. Die Tauben kamen immer auf direktem Wege hierher, zu ihrem Heimatschlag. Waren ausgezeichnete Brieftauben. Wirklich!«
»Und Miß Flynn nahm sife in Empfang?«
»Ja.«
»Wie ging es ihr wirtschaftlich?«
»Na ja. So mittelprächtig. Sie mußte arbeiten. Hatte eine Stellung als Hausmannequin bei einer Kleiderfirma in Brooklyn. Viel kam nicht dabei ‘raus.« Raffert wandte sich zum Gehen. »Herzlichen Dank für die Auskünfte. Und, bitte, bewahren Sie Stillschweigen darüber.«
»Natürlich«, sagte der Alte. Er blickte Raffert nach, als dieser zur Straße ging. Dann schloß Ben. F. Neyen die Tür und machte sich in der Küche wieder über das Gulasch her, an dem er drei Stunden gekocht hatte.
Raffert ging zu seinem Wagen, stieg ein und fuhr nach New York zurück. Eine reichliche Stunde später parkte er vor einem Drugstore in der Houston Street. Der Mörder trat in den Laden, bestellte sich eine Tasse Kaffee und ließ sich das Telefon geben. Er wählte. Als am anderen Ende der Leitung der Hörer abgenommen wurde, meldete sich der Mörder mit einem: »Ich bin’s.«
»Ja?« sagte Veronica Gallet.
»Ich weiß jetzt, wie er es gemacht hat. Mit Brieftauben. Die Viecher müssen zu seiner Schwester geflogen sein. Von Leila habe ich die Adresse. Aber die Schwester ist vor einem halben Jahr nach L. A. gezogen. Ich werde hinfahren. Bin sicher, daß sie das meiste von dem Zeug noch hat.«
»Was ist mit Dardano?«
»Er hat sich verabschiedet.«
»Hat dich jemand gesehen?«
»Ich glaube nicht. Dein Wagen steht in der Houston Street.«
»In Ordnung, ich hole ihn ab, Ned. Du brauchst Geld für die Fahrt nach L. A.?«
»Ja.«
»Wir treffen uns im großen Wartesaal der Penna Station. Ich bin in einer halben Stunde dort. Ich kann ungefähr fünfhundert Dollar lockermachen.«
»Das reicht. Bis gleich also.«
Der Mörder legte auf, bezahlte seinen Kaffee und verließ den Drugstore.
***
Als ich ins Office kam, legte Phil den Hörer auf die Gabel. »Morton Joffe ist noch nicht wieder aufgetaucht. Ich habe eben mit Veronica Gallet telefoniert.«
Ich zuckte die Achseln und setzte mich hinter meinen Schreibtisch. »Der Bursche hat wahrscheinlich gehört, daß wir Kimball eingebuchtet haben. Jetzt läßt er sich nicht mehr blicken, weil er befürchtet, daß Kimball ihn als Informanten genannt hat.«
»Lassen wir ihn suchen?«
»Eigentlich nicht nötig«, sagte ich nachdenklich. »Gegen Joffe liegt nichts vor. Daß er den Tip weitergegeben hat, dürfte feststehen. Die drei Gangster behaupten es. Und Dardano gibt zu, daß er Joffe von der Geschichte erzählt hat. Die Tatsache, daß Joffe sofort zu Kimball gelaufen ist und ihm alles berichtet hat, ist nicht strafbar.«
Phil nickte. »Also warten wir, bis Joffe wieder auf taucht.«
Eine Weile beschäftigten wir uns schweigend mit Schreibtischarbeit.
Es war später Nachmittag. Die Luft im Büro war dick und schwer. Aber trotz der Hitze hatte ich Appetit auf ein Pfeffersteak. Ich sagte es Phil, und fast augenblicklich begann sein Magen zu
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