0425 - Das Mädchen und die Todesperlen
Straßenrand davor parkte ein Taxi.
Der Mörder hielt den Atem an. Leise vor sich hinfluchend, stoppte er in geringer Entfernung. Die Frau hatte also nach einem Taxi telefoniert. Möglicherweise nahm sie das Kind jetzt doch mit.
Durch eine Hecke war Raffert der Blick auf jenen Teil des Gartens verwehrt, in dem Hattie vorhin gespielt hatte.
Jetzt kam die Frau auf die Straße. Allein. Raffert grinste vor sich hin. Aus schmalen Augen beobachtete er Merle Burke. Sie trug weiße lange Hosen und eine grüne Bluse. Es war eine schlanke junge Frau mit lackschwarzem Haar und sehr braunem Gesicht. Vor dem Taxi stolperte sie und wäre beinahe gefallen. Dann verschwand sie im Fond, und der Wagen fuhr an.
Raffert wartete, bis er im Strom der anderen Fahrzeuge verschwunden war. Dann rollte der grüne Chevrolet bis zur Einfahrt.
Hattie spielte noch an der gleichen Stelle im Garten. Sie schippte Sand in einen Plastikeimer und sprach mit sich selbst.
Der Mörder näherte sich der Eingangspforte. Ein Blick nach rechts und nach links. Niemand beachtete ihn. Von den Nachbarhäusern waren nur die. Dächer zu sehen. Den Rest verbargen dichte Hecken.
Raffert fühlte lähmende Kälte in sich auf steigen, als er jetzt das Grundstück betrat. Er wußte, daß er verloren war, wenn man ihn jemals erwischen würde. Auf Kidnapping stand die Todesstrafe.
Hattie bemerkte ihn erst, als er vor ihr stand.
Mit einem schiefen Lächeln auf dem roten Gesicht sagte Raffert: »Tag Hattie, deine Mammy schickt mich. Ich soll dich holen. Du sollst ganz schnell mit mir kommen.«
Das Kind stellte den Eimer zu Boden. Große braune Augen musterten den Mann forschend. »Mammy hat gesagt, ich soll nicht Weggehen.«
»Aber jetzt hat deine Mammy gesagt, daß ich dich zu ihr und zu deinem Daddy bringen soll.«
Hattie wischte die sandigen Hände an der Latzhose ab. Ein paar Krümel blieben an dem Stoff hängen. Dann legte das Kind seine Hand vertrauensvoll in die des Mörders.
Während sie zur Straße gingen, ließ Raffert seinen Blick kreisen. Passanten schoben sich auf den Gehsteigen vorbei. Im gegenüberliegenden Grundstück harkte ein alter Mann die Kieswege. Er hatte zwei Bierflaschen auf den Rand des Rasens gelegt, hielt ab und zu mit seiner Arbeit inne und nahm einen Schluck.
Raffert öffnete die rechte Vordertür und hob Hattie auf den Sitz.
»Meine Puppe«, sagte das Kind plötzlich. »Ich möchte meine Puppe mitnehmen.«
»Dazu haben wir jetzt keine Zeit, Hattie. Die Puppe läuft dir nicht weg. Wir holen sie nachher.«
Raffert startete den Wagen. Er fuhr in der gleichen Richtung, in der das Taxi mit Merle Burke verschwunden war. An der Ecke zur nächsten Seitenstraße entdeckte der Mörder ein Geschäft, in dem man Taschen und Koffer kaufen konnte.
Der Chevrolet rollte in die Seitenstraße und stoppte.
»Ich komme sofort wieder, Hattie. Sei artig und bleib hier sitzen.«
Raffert verriegelte die rechte Vordertür, stieg aus, schloß die linke Tür ab und ging rasch zu dem Laden. Zwei Minuten später kam er mit einem großen Koffer zurück.
Als Raffert auf den Wagen zusteuerte, blieb ihm fast das Herz stehen.
Vor dem rechten Seitenfenster, das Hattie ein Stück hinabgekurbelt hatte, stand ein freundlicher älterer Mann und sprach mit dem Kind. Die beiden schienen sich zu kennen. Hattie lachte, und der Mann schob die Hand durch die Fensteröffnung und tätschelte die Wange der Kleinen. Dann wandte er sich ab und ging langsam weiter. Er kam an Raffert vorbei. Der Mörder hatte sich rasch umgedreht. Er fühlte,.daß das Blut aus seinem Gesicht gewichen war und daß ihm kalter Schweiß auf den Hemdkragen tropfte. Er stand dicht vor der Schaufensterscheibe, mit schwachen Knien, die Augen auf die Auslagen gerichtet.
Der Mann ging vorbei. Raffert wandte den Kopf, sah einen breiten Rücken, einen eleganten Sommeranzug und dünnes graublondes Haar. Rafferts Blick saugte sich an der Gestalt fest. Er versuchte, sich an das Gesicht, das er eben gesehen hatte, zu erinnern. Aber er konnte es nicht. Der Schreck hatte es bereits aus seinem Gedächtnis gewischt.
Auf dem Rückweg zum Motel entdeckte Raffert eine Apotheke. Er hielt davor und kaufte ein starkes Beruhigungsmittel. Dann fuhr er mit seinem Opfer weiter nach Norden, aus der Stadt heraus, bis er zu einem einsamen Waldstück kam. Auf einem schmalen Weg stoppte der Chevrolet.
***
Es war ein prächtiger Morgen, und ich genoß den gigantischen Anblick der Rocky Mountains unter mir. Los Angeles
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