0428 - Der Todes-Tresor
mich, aber er zeigte keine Reaktion. Er zerrte Hagett zwischen sich und mir her, und seine ganze Aufmerksamkeit richtete er darauf, den Jungen zum möglichst vollständigen Schutzschild zu machen. Trotzdem hätte sich drei- oder viermal die Gelegenheit für einen Kunstschützen geboten, ich nutzte die Gelegenheit nicht. Riskiere nie das Leben eines Unschuldigen!
Je weiter sich Jeff Levin von mir entfernte, desto unmöglicher wurde es, noch etwas zu unternehmen. Während er den Jungen zum Ausgang zog, drehte ich mich langsam mit. Schließlich, als er die Stahlblechtür erreichte, stand ich deckungslos. Er schoß dennoch nicht. Es war inzwischen auch so dunkel in der,. Halle, daß er mich nicht genau sehen konnte. Krachend schmetterte er die Tür ins Schloß. Ich wartete, aber ich verstand nicht, warum das Sirenengeheul der Streifenwagen noch immer nicht zu hören war.
Zwei, drei Minuten blieb ich auf meinem Fleck stehen. Dann ging ich zwischen den verrosteten Werkzeugen und Maschinen zur Stahltür, drückte die Klinke nieder und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie gab nicht nach. Levin mußte bemerkt haben, daß der Schlüssel noch von außen im Schloß stak, und er hatte sich die Zeit genommen, ihn zu drehen.
Ich lief zum großen Schiebetor an der Hauptfront. Ich tastete es ab, aber ich fand nicht einmal Griffe, an denen ich die Flügel hätte auseinanderrollen können. An der Mauer neben dem Tor fand ich eine Schaltknopfanlage, aber ich drückte vergeblich die Knöpfe. Der Elektromotor, der früher die Flügel bewegt hatte, hatte längst das Zeitliche gesegnet.
Ich sah mich nach einem anderen Ausweg um. Ich fand keine andere Möglichkeit als die Lüftungsöffnungen unter dem Dachfirst und die Verglasungen des Daches selbst. Ich schob die 38er in die Halfter und sah mich nach einer Möglichkeit um, hinauf zu gelangen. Ich wählte die Steigeleiter zu einem Deckenlaufkran. Vom Dach der Krankabine aus turnte ich in die Stahlstützenkonstruktion des Daches. Alles war verdreckt und verrostet. Ich rutschte auf einem Träger entlang bis an den Dachrand, setzte dort die Füße auf eine Seitenverstrebung, die sich unter meinem Gewicht durchzubiegen schien und erreichte so eine der Luftöffnungen. Sie war groß genug, daß ich mich hindurchzwängen konnte, aber jetzt lag die glatte Außenmauer unter mir, zu hoch, als daß ich mich einfach hinunterfallen lassen könnte. Andererseits ließ sich das Dach selbst von der Luftöffnung aus erreichen. Ich vertraute mein Gewicht einer Dachrinne an und zog mich daran so schnell hoch, daß ich mich über den Rand rollen konnte, bevor die Rinne sich zu weit durchgebogen hatte. Unter mir lag der Werfthof still und dunkel. Nur im Bungalow brannte hinter einem Fenster Licht. Noch immer hörte ich keine Sirene, noch sah ich irgendwo ein Rotlicht flackern.
Ich lief zur Ecke des Daches, wo eine Regenrinne zur Erde führte. Sie schien so brüchig zu sein wie alles auf dieser Werft, aber ich wagte es, daran herunterzurutschen. Ich gelangte fast bis zur Erde, bevor die Halterungen herausrissen und ich zusammen mit einem Haufen Blechrohr auf dem Boden landete. Ich stieß den scheppernden Blechkram zur Seite und lief zum Bungalow. Die Tür stand offen. Im Wohnraum brannte Licht, aber Huster war verschwunden. Ich rief seinen Namen, niemand antwortete. Aber ich vernahm das Geplätscher von Wasser. Ich ging dem Geräusch nach, stieß eine Tür auf, die ins Badezimmer führte, und fand Huster dahinter. Er lag auf dem Fußboden. Sein Oberkörper war nackt. Auf der Schulterwunde lag eine Packung Watte aus der Hausapotheke, und er hatte auch einen Versuch unternommen, die Wunde zu verbinden. Im Waschbecken lief das Wasser aus dem Kran.
Ich ließ sein Zahnputzglas vollaufen und kippte ihm den Inhalt ins Gesicht. Seine Augenlider flatterten, aber er hielt die Augen krampfhaft geschlossen.
»Wenn, du nicht sofort aufwachst«, knurrte ich, »werde ich ganze Kübel Wasser über dir ausschütten.« Ich weiß genau, wie ein Mann aussieht, der wirklich ohnmächtig wurde. Husters Gesichtsfarbe war zu frisch.
Er öffnete die Augen. »Ich wurde ohnmächtig, G-man«, stöhnte er. »Mir wurde schwarz vor Augen, und ich fiel um.«
»Bevor du die Polizei benachrichtigen konntest?«
»Ich mußte mich doch um meine Verletzung kümmern. Ich konnte ja verbluten! Ich wollte anrufen, aber…«
Er hielt sich am Baderand fest und zog sich auf die Füße. Er zog den Kopf zwischen die festen Schultern, als ob er
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