043 - Das Beinhaus der Medusa
der Anwesenden einen Stuhl
zurecht.
Thor Haydaal und Larry Brent nahmen am Tisch Platz. Sie konnten von hier
aus das Sofa überblicken.
Erik stand am Fußende der Liegestatt.
»Ingrid …«, begann er. »Kannst du mich hören?«
Die schmalen Lippen der auf dem Sofa Liegenden bewegten sich. »Ja«, erklang
es wie ein Hauch.
»Erzähle uns, was du siehst! Versuch noch mal, in das jenseitige Reich
vorzudringen …«
Haydaals Augen glänzten wie im Fieber. Larry Brent wagte kaum zu atmen. Er
fühlte beinahe körperlich, daß hier in diesem seltsamen Raum etwas vor sich
ging, das mit den Gesetzen der Vernunft und der Logik nicht mehr zu erklären
war. Es gab Menschen, die eine merkwürdige Atmosphäre um sich verbreiteten. Es
begann schon damit, daß man sich in der Nähe eines bestimmten Menschen wohl
oder nicht wohl fühlte.
Hier aber traten jetzt ganz andere Gefühlsmomente in Erscheinung. Und Lany,
der sich stets unter Kontrolle hatte, mußte sich im stillen eingestehen, daß er
die Übersensibilität der jungen Frau, die auf der Suche nach dem Todesgeheimnis
Marnes war, körperlich spürte.
»Die Welt besteht aus dem Stofflichen und aus dem Nichtstofflichen«, sagte
Erik erläuternd, so, als fühle er sich veranlaßt, hier zwei Außenstehenden eine
Einführung in das Geschehen zu geben. »Das Stoffliche verschwindet. Das ist der
Körper. Das Nichtstoffliche, der Geist, aber existiert weiter. Es gibt viele
Zwischenreiche, die ein Geist aufsuchen kann. Und manchmal gelingt es, ihn
ausfindig zu machen und ihn aufzuspüren. Das mag für Ihre Ohren wie purer
Unsinn klingen. Die Vernunft und die Wissenschaft sind der größte Feind des
Okkulten. Aber nichtsdestotrotz kann sich der Okkultismus halten, seit
Jahrtausenden schon in allen Völkern der Erde. Uns ist leider ein gewisses Maß
an natürlichen Empfindungen verlorengegangen. Völker, die der Natur näher stehen,
die Überlieferungen ihrer Vorväter übernommen haben, besitzen dieses Empfinden
noch. Gelegentlich jedoch zeigt sich auch an Einzelwesen in diesen
Breitengraden, daß sie eine Gabe mitbekommen haben, die bei Millionen anderer
Menschen ebenfalls vorhanden – aber nur verschüttet ist. – Ingrid ist ein
solcher Fall. Wir haben kürzlich von einer Italienerin gelesen, die durch reine
Geisteskraft elektrische Kräfte beherrschen konnte. In allen maßgeblichen
europäischen Zeitungen wurde dieses Phänomen diskutiert.
Das Mädchen ließ Töpfe und Kühlschränke durch die Luft schweben.
Wissenschaftler sprachen von telekinetischen Kraftströmen. Ein Begriff, der
sonst nur in der utopischen Literatur zu Hause ist. – Vielleicht haben Sie auch
von Dr. Chitu gehört, dem indischen Jenseitsforscher, der kürzlich an einem
Kongreß in Rotterdam teilnahm. Chitu behauptet, zahlreiche Beweise dafür zu
haben, daß Tote wiederkamen – daß ihr Geist – oder ihre Seele, ganz wie Sie
wollen – auf der Suche nach einem neuen Körper in dieser Weise zurückkehrten.
Im Zustand der Tiefenhypnose wurden solche Fälle bekannt. Ich bin weder in der
Lage noch ist dies im Augenblick der richtige Zeitpunkt, Sie in Einzelheiten
einzuweihen. Von Geistern und Dämonen spricht man in unserem Zeitalter der
Jumbo-Jets und Weltraumschiffe nicht mehr gern. Wir glauben, alles selbst in
den Griff zu bekommen. Wenn wir von Geist reden, meinen wir nur noch unseren
eigenen Verstand. Aber woher kommen die Antriebe wirklich? Sind wir alle
tatsächlich Urheber einer gewissen Tat?
Warum hat sich der Dämonen- und Geisterglaube nur in primitiven Völkern und
bei einfachen Menschen erhalten? Ich will es Ihnen sagen: weil sie dem, was wir
unnatürlich und fantastisch nennen in Wirklichkeit näherstehen, als wir
wahrhaben wollen. Selbst der Gottesglaube schwindet heute immer mehr. Kann man
Gott aber leugnen? Offenbart er sich denn nicht in zahllosen Schöpfungen? Oder
haben wir, die Menschen diese Dinge vollbracht? Und wenn wir anstelle von Gott
auch den Begriff Natur setzen, so ändert das gar nichts. Es ist der gleiche
Urheber, dem wir nur einen anderen Namen gegeben haben.« Mit diesen Worten
wandte er sich wieder dem stillen, bleichen Medium zu.
»Bereite dich auf den Gang nach drüben vor, Ingrid! Du hast Marne
getroffen. Er ist – durch welche Mächte auch immer – wieder von dir gerissen
worden. Er wollte sich dir mitteilen.
Such Marne! Sprich mit ihm! Zerschlag den Knoten, der dich von ihm trennt
…!«
Über den Körper des Mediums schien sich bei den Worten Eriks ein
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