0431 - Der Gentleman-Killer
30«, sagte ich höflich und zog meine blau-goldene Marke heraus. Er warf einen Blick darauf und verzog das Gesicht, als hätte ich ihm eine Warzertkröte gezeigt. Dann strich er mit der Hand leicht über das verchromte Telefon neben ihm und flüsterte wieder:
»Vielleicht kommen Sie morgen noch einmal vorbei, Mister Huxley wird nicht gern abends gestört!«
Wir sagten nichts, sondern sahen ihn nur aufmunternd an. Er seufzte tief und unglücklich und nahm den ’ Hörer ab. Als er ein paar Worte mit dem anderen Teilnehmer gewechselt hatte, warf er uns noch einen tadelnden Blick zu und kam dann unfi die Theke herum. Er schlurfte vor uns her zu einem Lift und drückte für uns auf den Knopf.
Die Tür sprang fast im nächsten Moment auf, und ein livrierter Boy fuhr uns in die 27. Etage. Wir kamen auf einen relativ breiten, langen Gang, an dessen einer Seite ein abstraktes Gemälde entlanglief.
Auf der anderen Seite waren zehn Türen, die wie Spiegel aus der Wand herausblitzten. Wir blieben vor dem verschnörkelten Buchstaben ›G‹ stehen, der aus schwarzem Glas war und wie ein magisches Zeichen auf der Tür klebte, die voll verchromt war. Wir konnten uns in ihr spiegeln. Ich warf Phil einen vielsagenden Blick zu und suchte nach einem Klingelknopf. Es gab keinen. Dafür schwang die Tür sanft von selbst auf, und eine Lady lächelte uns entgegen. Sie paßte haarscharf zu dem verchromten Kasten, trug ein enganliegendes Kleid aus Silberlame, hatte große, schwarze Augen und glänzendes, schwarzes Haar, das wie ein Seidenumhang auf ihre Schultern fiel. Sie merkte, daß wir ihre Erscheinung zu würdigen wußten und lächelte. Dann sagte sie mit einer Stimme, die so rauchig war wie zehn Jahre alter Bourbon:
»Hallo. So sehen also G-men aus!«
»Wir werden nicht lange stören, Ma‘am. Ist Mr. Huxley da?«
Sie lächelte und drehte sich schweigend um, um uns vorauszugehen. Als die Tür wieder hinter uns geschlossen war und das Licht aus dem Treppenhaus ausfiel, war es fast völlig dunkel. Ich sah nur schwach das Glänzen des Silberkleides vor mir, dann sprang plötzlich eine breite Tür auf, und eine Welle von Licht und Musik strömte uns entgegen.
Es war ziemlich heiße Musik, und die Lady begann instinktiv, im Rhythmus mitzuwippen. Der Raum war rechteckig, und die der Tür gegenüberliegende Breitseite bestand nur aus Glas. Der Sommerhimmel leuchtete violettblau, und der Hudson spiegelte die Millionen Lichter von Manhattan und New Jersey wider. Vor diesem phantastischen Panorama wirkten die bequemen Ledersessel, die weichen Teppiche und die schweren Holztische und -regale unwirklich wie eine Theaterkulisse.
Ich musterte die Männer, die uns gelangweilt entgegensahen. Sie waren jung und elegant angezogen. Sie wirkten wie bezahlte Schaufensterpuppen oder Dekorationsgegenstände. Die Lady kam mit zwei Gläsern, Whisky und einem Syphon zu uns und forderte uns mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen. Verblüfft stellte ich fest, daß sie, aus nächster Nähe und bei Licht besehen, mindestens 50 Jahre alt war.
Ich drehte mein Whiskyglas in der Hand und fragte noch einmal nach Huxley. Die Lady sah uns einen Moment lang unwillig an, dann drehte sie sich scharf zur Seite und rief mit einer zwar leisen, aber das Stimmengewirr um uns wie ein Messer zerteilenden Stimme: »Rocky, komm her!«
Eine Tür im Hintergrund des Raumes ging sofort auf, und ein Mann kam heraus. Er war Mitte Fünfzig, - klein und untersetzt, feein Kopf war kahl wie eine Billardkugel. In seinen dicken, roten Händen hielt er einen frisch gefüllten Glaskübel mit Eiswürfeln.
Er blieb zögernd in der Tür stehen und sah unsicher zu uns herüber. Ohne ihm noch einen Blick zuzuwerfen, schlenderte die Lady zu der Fensterwand hinüber. Huxley sah unsicher auf den Eiskübel in seinen Händen und kam dann zu uns. Als er an einem Tischchen vorbei kam, stellte er das Eis hastig ab und sagte, als er uns erreicht hatte:
»Bitte… äh… Huxley mein Name, ich hoffe, Sie fühlen sich wohl…« Er brach ab, als er merkte, daß wir nicht zu den Gästen zählten. Ich zeigte ihm meinen Ausweis.
»Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
»Ja… ach so… bitte, natürlich!« stotterte er und sah hilflos zu der Lady hinüber, die sich aber nicht mehr um uns kümmerte.
»Ja, wir können in die Bibliothek gehen, denke ich!« sagte er endlich und setzte sich in Bewegung.
Die Bibliothek stellte sich als quadratischer Raum heraus, der nur durch eine Wand
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