0432 - Magico
normalen Rasen spürte, und trotzdem glaubte sie, lichtjahreweit von ihren Freunden entfernt zu sein. Kara hatte die vom Spuk gewünschte Haltung eingenommen und wartete darauf, was nun geschah. Zunächst einmal nichts. Sie hörte nur das laute Klopfen ihres eigenen Herzens. Es trieb die Furcht in ihr hoch, und automatisch spürte sie die Gänsehaut.
Dann erreichte sie der Hauch. Ein Gruß aus dämonischer Kälte, aus dem Weltall stammend, wo das tiefe Grauen regierte, das sich innerhalb des Spuks manifestierte.
Der Spuk war da!
Er war eigentlich überall, aber in ihrer Nähe konzentrierte er sich besonders.
Sie vernahm seine Stimme.
Diesmal nicht grollend oder donnernd, eher leise, flüsternd, aber gefährlich klingend.
»Öffne den Mund…«
Kara wußte, daß es nun soweit war. Sie stand vor der großen Entscheidung und zuckte zusammen.
Drei Tropfen würde er ihr einflößen. Nur drei…
Karas Lippen zitterten, als sie den Mund weit öffnete. Ihre Arme lagen flach auf dem Boden. Sie hatte sie ausgestreckt, die Handflächen berührten die Erde, versanken im kurzen Gras.
Noch näher kam der andere, der Unsichtbare und Unbegreifbare. Kara hatte den Eindruck, als würden ihre Wangen vereisen.
Die Stimme des Spuks empfand sie als böses Streicheln. »Ich werde mein Versprechen halten, so wie ich jedes Versprechen halte. Ich werde dir drei Tropfen einflößen, und eines laß dir gesagt sein: Ich helfe dir nur dieses Mal, und ich werde nicht zulassen, daß du mich bei Magico erwähnst. Solltest du das dennoch tun, werde ich dich töten. Auch dieses Versprechen halte ich.«
»Ich werde dich nicht enttäuschen!« hauchte die Schöne aus dem Totenreich.
Nach dieser Antwort öffnete sie wieder den Mund.
Der erste Tropfen fiel.
Sie konnte ihn nicht sehen, spürte die Berührung an der Zunge, schluckte automatisch die sirupdicke, süßliche Flüssigkeit hinunter. Der Nachgeschmack war ein wenig bitter.
Der zweite Tropfen folgte, der dritte ebenfalls, und sie hörte die Stimme des Spuks.
»Mein Teil des Vertrags ist erfüllt.« Das letzte Wort hörte Kara schon nicht mehr. Etwas geschah mit ihr, rauschte durch ihren Körper und drängte mit aller Macht an die Oberfläche, um zu entweichen.
Das Rauschen nahm an Lautstärke zu, es erfüllte sie völlig, und in den folgenden Sekunden vergaß sie alles um sich herum.
Jetzt existierten von ihr zwei Dinge.
Geist und Körper…
***
Der Eiserne Engel und Myxin befürchteten beide Schlimmes, als Kara in der Wolke verschwand. Sie sprachen aber nicht darüber und warteten ab.
Leider konnten sie die Schwärze nicht mit ihren Blicken durchdringen.
Sie war einfach zu dicht. Wie eine Wand aus Steinen, die sich aber bewegte, ohne daß das Gefüge riß.
»Wenn er falschspielt«, sagte der Eiserne, »haben wir Kara auf dem Gewissen.«
»Er wird nicht falschspielen.«
»Was macht dich so sicher?«
»Magicos Existenz. Der Spuk kennt ihn. Er muß wissen, wie gefährlich er ist und daß er auch für ihn zu einer großen Konkurrenz werden kann. Wir haben da mit unserer Vermutung voll ins Schwarze getroffen. Wahrscheinlich hätte der Spuk auch nicht auf unserer Seite gestanden, wären die Steine nicht so angegriffen worden. Schon die Tatsache allein hat ihm gezeigt, wie mächtig Magico ist.«
»Du bist ein Optimist«, sagte der Eiserne.
»Das bin ich gern.« Die Unterhaltung der beiden versickerte, weil sie sich jetzt auf die vor ihnen wallende Wolke konzentrierten, in der Kara verschwunden war. Die Zeit dauerte ihnen einfach zu lange. Wenn der Spuk nur drei Tropfen des Tranks hatte abgeben wollen, hätte er dies schon längst erledigen können. So wuchs ihre Befürchtung, die verschwand, als sich die Wolke zurückzog. Dies geschah wallend, rollend und langsam. Sie stieg in die Höhe, kroch über das Haus und löste sich dabei zu grauen, nebelhaften Schatten auf, die zwischen den am Hang wachsenden Bäumen wie lange Tücher verschwanden. Zurück blieb eine leblose Gestalt. Kara!
Myxin wollte hinrennen, doch der Eiserne hielt ihn fest. »Jetzt bitte nichts überstürzen.«
»Gut.«
Beide schritten sie auf Kara zu. Sie lag auf dem Rücken, das lange Haar ausgebreitet, und sie sah aus wie tot.
»Kennst du diesen Zustand?« fragte der Eiserne.
»So ungefähr. Wenn sie durch das Schwert Verbindung aufnimmt, ähnelt der Zustand diesem hier.«
Neben der Frau blieben sie stehen und blickten sekundenlang in das wachsbleiche Gesicht.
»Sie atmet nicht«, sagte der
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