0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter
begann Phil.
»Ich glaube schon. Sehen Sie, ich habe Lion von der Straße aufgelesen, habe jede Phase seines Aufstiegs miterlebt. Können Sie nachfühlen, wie es einem da zumute ist, wenn dieser Mensch plötzlich tot vor einem liegt?«
»Ich nehme an, daß Sie uns helfen wollen, den Mörder möglichst schnell zu finden. Deshalb habe ich einige Fragen für Sie: Wann haben Sie zum letztenmal mit Lion Brecket gesprochen?«
»Wenige Minuten vor dem Boxkampf. Vorher haben wir zusammen gegessen. Ich habe bei ihm in der Kabine gesessen, bis er hinausging. Er brauchte das. Ich mußte ihn überzeugen, daß er stärker und schneller ist als seine Gegner. Auf mich hörte er, mir glaubte er jedes Wort. Die Promoter hatten es zur Bedingung gemacht, daß ich immer dabei war. Jack nannte mich scherzhaft, Mamie‘.«
»Welchen Eindruck machte Lion vor dem Kampf?«
»Er war fröhlich wie immer.«
»War er nicht nervös? Ich meine, gab es nichts, was ihn beunruhigen konnte?«
»Natürlich tauchte das Lampenfieber immer wieder auf. Aber dafür war ich ja da. Wir haben uns unterhalten. Ich lenkte seine Gedanken ab und hatte wie immer Erfolg damit.«
»Ich meine nicht das Lampenfieber, Miß Paine. Wenn Sie bis zum letzten Augenblick in seiner Kabine gewesen sind, müßten Sie eigentlich auch den Brief gesehen haben, den er kurz vor dem Kampf erhielt. Wir fanden das Schreiben im Aschenbecher.«
»Ach, Sie meinen den Wisch?« fragte sie. »Das ist nicht neu. Solche Drohbriefe flattern den Boxern vor jedem Kampf in die Kabine. Irgendwelche Fanatiker setzen sich hin und schreiben solche Schmierzettel, um den Gegner zu beunruhigen. Aber Lion gab nichts auf solche Drohungen.«
»Während des Kampfes saßen Sie am Ring?«
»Ja, natürlich. Ich habe da meinen Stammplatz.«
»Was haben Sie beobachtet?«
»Nun, Jack war dem Argentinier haushoch überlegen. Plötzlich, es war in der zweiten Runde, stürzte Jack zu Boden. Ich begriff erst nicht, was geschehen war. Als sie Jack in die Kabine trugen, lief ich in die Garderobe, um ein Stärkungsmittel zu holen, das er hin und wieder braucht. Es handelt sich um eine Droge, die das Nervensystem heruhigt.«
»Kann ich sie einmal sehen?« fragte Phil.
Einen Augenblick starrte Alice ihn verwundert an, dann stand sie auf und sagte:
»Selbstverständlich, ich hole sie Ihnen.«
Sie trippelte durch den Salon und verschwand durch eine Tür, die zum Schlafzimmer führen mußte. Nach wenigen Augenblicken kam Miß Paine zurück und reichte meinem Freund eine rotgelbe Packung, deren Inhalt als »Plusfortinum« ausgewiesen wurde.
Phil betrachtete die Packung und legte sie vor sich auf den Tisch.
»Was taten Sie dann?« fragte mein Freund.
»Ich versuchte, zu Jack zu gelangen. Die Polizei hielt mich einige Minuten auf. Aber schließlich gelang es mir doch. Und dann kam das Furchtbare.« Sie machte eine kurze Pause und sah auf den Teppich.
»Sie wurden ohnmächtig und von einem Arzt betreut?«
»Ja, außerdem kümmerte sich Mr. Wilston um mich.«
»Haben Sie irgendwas Verdächtiges bemerkt, kurz vor dem Mord?« fragte Phil leise.
»Wie sollte ich? Ich sah nur Jack, der den Argentinier pausenlos angriff.«
Unter der Couch kam eine siamesische Katze zum Vorschein. Sie strich Alice Paine um die Beine und sah meinen Freund rätselvoll an.
»Jetzt ist mir nur noch Joe geblieben«, sagte Alice leise und streichelte der Katze das Fell.
Phil unterhielt sich noch einige Minuten mit der Frau, die von ihrem großen Schmerz erzählte, dann verabschiedete er sich. Phils Rat, Miß Paine sollte für ein paar Tage verreisen, ließ sie außer acht. Dagegen versprach sie, den Tod ihres Freundes noch nicht bekanntzugeben.
Phils nächster Besuch galt einer weiteren trauernden Frau: Mrs. Hellman. Unten im Flur hing ein Messingschild: »Roger Hellman, Privatdetektiv, diskrete Überwachungen und Beobachtungen bei Tag und Nacht.«
Mein Freund fuhr mit dem Lift zum fünften Stock und schellte an Hellmans Tür. Eine junge Frau mit einem verweinten Gesicht öffnete ihm. Sie war aschblond, hatte ein zierliches Gesicht und sah zerbrechlich wie eine Spielzeugpuppe aus.
Phil stellte sich vor.
»Kommen Sie herein«, sagte die Frau und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken.
Phil nickte und betrat einen Salon, der gleichzeitig als Detektiv-Büro diente. Vor dem Fenster stand ein Schreibtisch, der mit Büchern und Akten beladen war. In der Mitte stand eine alte, schwarzlackierte Schreibmaschine.
»Ist schon ein
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