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0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter

0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter

Titel: 0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter Kostenlos Bücher Online Lesen
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York.
    Ich stieg wieder aus und entfernte die Bremsklötze, die vor den Zwillingshinterreifen lagen. Die Straße besaß ein leichtes Gefälle in Fahrtrichtung. Mein Vorgänger hatte trotz der bevorstehenden Blinddarmoperation an alles gedacht.
    Als ich wieder hinter dem Steuer saß, ließ ich den Motor an, prüfte die Blinkanlagen, ließ den Wagen langsam anrollen und probierte die Handbremse. Sie schien nach Vorschrift zu arbeiten. Dann trat ich auf die Fußbremse. Die Bremsbacken setzten sich quietschend gegen die Felgen.
    Nach einem Blick in den Außenspiegel fuhr ich weiter zur Fahrbahnmitte, um die Belastung der Ladefläche möglichst gleich auf alle vier Räder zu verteilen. Das geschah nur, wenn der Wagen fast auf der Straßenmitte fuhr, denn die Außenfahrbahn war stark gewölbt. Ich brauchte kaum Gas zu geben. Der Wagen kam ziemlich schnell in Fahrt — wegen des zunehmenden Gefälles der Straße. Es wurde so stark, daß ich bremsen mußte.
    Ich trat das Bremspedal herunter. Wieder setzten sich die Bremsbacken gegen die Felgen der großen Räder. Wieder drang mir das Quietschen durch Mark und Bein.
    Doch dann war plötzlich kein Quietschen mehr zu hören. Der Lastwagen gewann schnell an Fahrt. Mit aller Kraft trat ich die Bremse bis zum Anschlag durch. Aber die Wirkung war gleich Null. Blitzschnell ließ ich das Bremspedal zurückschnellen.
    Die Lastwagen besitzen ein doppeltes Bremssystem, das mit Motorunterstützung arbeitet. Es kommt häufig vor, daß sich Luft in den Bremsschläuchen befindet und die Bremsflüssigkeit erst durch mehrmaliges »Pumpen« wieder zusammengepreßt werden muß. Also versuchte ich mein Glück.
    Mein rechter Fuß bearbeitete das Bremspedal wie einen Blasebalg. Aber die Wirkung blieb aus.
    Ich griff zur Handbremse und zog sie an. Aber auch hier blieb der erhoffte Erfolg aus.
    Gedanken sind bekanntlich so schnell wie das Licht oder der Strom. Das merkte ich in diesem Augenblick wieder. Die Bremsen hatten vorhin noch gepackt, folgerte ich. Demnach mußte der Defekt erst während der Fahrt aufgetreten sein. Entweder war ein Bremsbehälter geplatzt und die Flüssigkeit ausgelaufen, als ich die Bremsleitung belastete, oder jemand mußte nachgeholfen haben, indem er den Bremsbehälter so beschädigte, daß bei der nächsten starken Bremsung ein Bruch entstand und die Bremsflüssigkeit auslief.
    Das war jetzt geschehen. Und ohne Bremsflüssigkeit waren die stärksten Bremsen völlig wirkungslos, weil die Kraft fehlte, die sie gegen die Radfelgen preßte. Diese Überlegungen dauerten nur Bruchteile von Sekunden. Aber in dieser Zeit war die Nadel auf dem Tacho von dreißig auf fünfunddreißig Stundenmeilen vorgeschnellt. Jetzt spürte ich deutlich den Druck, den die Glasladung ausübte.
    Zur Kurve hin wurde die Straße immer abschüssiger. Ich konnte mir ausrechnen, mit welcher Geschwindigkeit ich in die Kurve gehen würde, wenn mir nicht hoch etwas einfiel. Das Tempo würde für einen Sportwagen, der mit schleuderndem Hinterteil um die Ecke jagte, gerade noch erträglich sein, nicht aber für einen Fünftonner.
    Rechts und links wuchsen nach hundertfünfzig Yard die Felsen höher. In der Kurve hatten sie auf der linken Seite bereits die Höhe eines sechsstöckigen Mietshauses erreicht.
    Der Wagen rollte im dritten Gang. Ich konnte es nicht wagen, herunterzuschalten. In dem Augenblick nämlich, wo ich die Kupplung trat und die letzte schwache Bremsung durch den Motor wegfiel, würde der Laster noch mehr an Geschwindigkeit gewinnen.
    Als ich die Situation restlos durchschaute, war mein erster Gedanke — abspringen! Aber ich verwarf ihn ebensoschnell. Ich mußte im Führerhaus so lange wie möglich hockenbleiben, um mit Hupen und Lichtsignalen eventuell entgegenkommende Verkehrsteilnehmer zu warnen. Sprang ich ab, war es leicht möglich, daß der Laster in der Kurve noch einen vollbesetzten Personenwagen überrollte. Das durfte ich auf keinen Fall zulassen.
    Ich legte meine Hand auf den Hupenring. Der Ton klang schaurig zwischen den Felsen. Noch einmal pumpte ich mit dem Bremspedal. Aber ohne Erfolg. Deutlich spürte ich, wie auch der letzte Widerstand in den Bremsschläuchen verschwunden war.
    Es war ein seltsames Gefühl, zu wissen, daß der Wagen in den nächsten Sekunden gegen die Felswand prallte, daß die Glasladung das Fahrerhaus wie eine Streichholzschachtel zusammendrücken würde. Der teuflische Plan des Mörders schien keinen Ausweg zuzulassen, wenn ich nicht riskieren wollte,

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