0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter
Staub aus den Straßenschluchten zu wolkenkratzerhohen Fontänen aufpeitschte und hochwirbelte. Innerhalb einer Minute war vom Himmel nichts mehr zu sehen. Ich kam mir vor wie bei einem Sandsturm in der Wüste. Der feine Staub knirschte sogar auf meinen Zähnen.
Dann platschte der Regen. Die Räder der Autos hinterließen deutliche Bugwellen. Das Wetter behinderte die Fahrt so stark, daß ich glaubte, mit angezogenen Bremsen zu fahren.
Die Einfahrt zu unserem Hof stand unter Wasser. Ich jagte hindurch und stoppte den Wagen dicht am hinteren Eingang. Trotzdem war ich naß bis aufs Hemd, als ich den Eingang erreichte.
Auf meinem Schreibtisch lag ein Eilbrief, der an mich adressiert war. Die Handschrift kam mir bekannt vor. Ich riß den Umschlag auf und sah zuerst auf die Unterschrift. »Roger Hellman.«
Ich ließ den Brief fallen und betrachtete den Umschlag. Er war gestern abend um elf abgestempelt worden. Um diese Zeit hatte der Überfall auf den zitronengelben Ford des Privatdetektivs bereits stattgefunden. Um diese Zeit war auch Lion Brecket bereits tot. Nun war es gut möglich, daß Hellman den Brief wenige Minuten vorher in den Briefkasten geworfen hatte, ehe er mit dem Girl losfuhr. Ich nahm den Briefbogen, und las den Text, der mit der Hand geschrieben war.
Cotton, ich bin hinter einer Bande von Diamanten- und Rauschgiftschmugglern her. Wahrscheinlich brauche ich Ihre Unterstützung, um die Burschen ans Messer zu liefern. Versuchen Sie nicht, mir den Plan auszureden, auch wenn ich weiß, daß die Gangster es auf meinen Kopf abgesehen haben. Ich werde mich in den nächsten Stunden melden.
***
Phil zog den Kopf ein, als er den Donnerschlag hörte. Zuerst glaubte er an eine Sprengung, riß deshalb den Mund auf, um sein Trommelfell zu schonen. Aber das Getöse von zusammenbrechenden Mauern blieb aus. Mein Freund schlug die Augen auf und sah durch trübe Kellerfensterscheiben das grelle Aufzucken der Blitze.
Am liebsten hätte Phil eine Auskunft angerufen und nach Tag und Stunde gefragt. Aber es ging nicht, da er an Händen und Füßen gefesselt und auf dem Kellerboden lag. In dem Raum roch es nach gärenden Wein- und Bierresten. Phil spürte ein Würgen im Hals und versuchte, sich auf die Seite zu rollen. Es gelang mit einiger Anstrengung. Langsam kehrte die Erinnerung bei ihm zurück. Er war bis an die Tür der Kneipe gekommen. Dort hatte ihn jemand niedergeschlagen. Weiter konnte sich Phil nicht erinnern.
Mein Freund spürte einen seltsamen Geschmack auf der Zunge und erinnerte sich an Äther. Man hatte sich also nicht damit begnügt, ihn ins Land der Träume zu schicken, sondern wollte einige Zeit ungestört arbeiten und hatte ihn deshalb chloroformiert.
Langsam verspürte Phil Hunger. Demnach zu urteilen, mußte er einige Stunden im Keller gelegen haben. Vielleicht wäre er noch nicht wach geworden, wenn ihn nicht der Donnerschlag aus den Träumen gerissen hätte.
Mein Freund krümmte sich, zog die Beine an und machte mit einer Spezialgymnastik die Fußfesseln locker. Der Unbekannte hatte sich nicht sonderlich viel Mühe mit den Stricken gemacht, offenbar hatte er sie lediglich als zusätzliche Sicherheit vorgesehen.
Vorsichtig richtete sich Phil auf und stellte sich auf seine Füße. Der Kellerboden unter ihm begann, wie ein Schiff in Windstärke neun zu schwanken' Mein Freund torkelte bis zur Wand und lehnte sich mit der Schulter dagegen. Er brauchte frische Luft und wollte ein Fenster aufreißen. Aber seine Hände waren gefesselt, und zwar sorgfältiger als die Füße.
Langsam hatten sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt. Phil steuerte auf eine leere Glasgallone zu, in der billiger Fusel transportiert wird. Mit einem Tritt zerlegte er den Glasballon in feine, scharfe Scherben. Es war ein Kinderspiel, an einer scharfen Glasscherbe die Handfesseln durchzusägen.
Phil stützte sich gegen die Wand und torkelte an ihr entlang bis zum Fenster. Mit zitternden Händen löste er den Fensterriegel und riß beide Flügel auf. Regen platschte ihm ins Gesicht. Mein Freund sog gierig die frische Luft ein.
Die Straße war menschenleer, weil jeder vor dem Wolkenbruch geflüchtet war. Das störte meinen Freund nicht. Er schleppte eine Kiste ans Fenster, kletterte darauf und verließ das ungastliche Haus durchs Kellerfenster.
Die Fahrbahn war vom Regen überschwemmt. Phil genoß die Dusche und stand einige Minuten still im Regen. Er ließ die Wassermassen an seinem Körper herunterlaufen. Er brauchte diese
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