0433 - Zum Sterben einen Stellvertreter
ehe er fragte. Seine Reaktion war verdächtig.
»Ich finde, es ist alles noch glimpflich abgegangen«, sagte ich ziemlich lässig.
»Mann, haben Sie den Wagen zu Bruch gefahren?« brüllte er. Die Zornesadern schwollen auf seiner Stirn.
»Zu Bruch gefahren?« fragte ich ironisch, »das ist ein sehr köstlicher Ausdruck. Ich habe Glück gehabt, daß der Karren mich nicht zu Bruch gefahren hat.«
»Wollen Sie mir nicht erklären, was passiert ist?« brüllte er in unveränderter Lautstärke weiter.
»Allerdings, nur bin ich sehr empfindlich bei diesen lauten Tönen, Mr. Cannon. Ich bin gewohnt, mich in Ruhe zu unterhalten.«
Er verfärbte sich und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen.
»Der Wagen stand vor einer scharfen Kurve. Ich prüfte Blinker und Bremsen«, begann ich meine ausführliche Schilderung, »alles war in Ordnung.«
Er hörte mir sehr interessiert zu, starrte mich an und schien zu überlegen, wie ich mich aus dem Wagen gerettet hatte. Das allerdings verschwieg ich ihm erst.
»Und Sie, Sie sind gewiß sofort abgesprungen, als Sie merkten, daß nichts mehr zu retten war?« fragte er endlich und sah mich forschend an.
»Nein«, entgegnete ich, »das durfte ich wegen der anderen Verkehrsteilnehmer nicht riskieren. Schließlich mußte ich sie warnen, indem ich bis in die Kurve hupte. Erst dann, als ich sah, daß die Straße frei war, bin ich abgesprungen.«
»Sie haben den Wagen im Stich gelassen?« fragte er vorwurfsvoll und ärgerlich.
»Von Lastwagen ist nicht mehr zu sprechen. Er wird für Sie höchstens noch Schrottwert besitzen.«
»Trotzdem wäre es Ihre Pflicht gewesen…«
»die Polizei und Sie sofort zu informieren, Mr. Cannon. Das habe ich getan.«
»Die Polizei auch?«
»Natürlich. Schließlich müssen die Ursachen des Unfalls geklärt werden.« Mr. Cannon lehnte sich in den Stuhl zurück und fuhr mit einem Erfrischungstuch über die Stirn.
»Haben Sie nicht einen Schluck zu trinken, Chef?« fragte ich nach einigen Sekunden Schweigen.
Mr. Cannon schellte nach seiner Sekretärin und beauftragte sie, eine Flasche Coca Cola zu bestellen.
»Ich verstehe immer noch nicht, wie man aus einem Wagen abspringen kann, der mit 70 Meilen auf einen Felsen zujagt«, murmelte Cannon.
Eine Antwort hielt ich für überflüssig.
Der Mann hinter dem Schreibtisch begann zu schwitzen. Ärgerlich kramte Cannon ein Taschentuch hervor und tupfte sich Schweißtropfen von der Stirn.
»Was haben Sie jetzt für mich zu tun?« fragte ich.
Verständnislos schüttelte er den Kopf. Ich wiederholte deshalb meine Frage.
»Was Sie jetzt tun sollen?« stammelte er und sah sich hilfesuchend um, »verschwinden Sie, aber möglichst schnell.« Seine Augen weiteten sich, als sehe er in mir ein Gespenst. »Verschwinden Sie und lassen Sie sich bei mir nie mehr blicken«, wütete er.
Ich grinste ihn an und erwiderte: »So ganz einfach wird das nicht sein. Sie haben mich eingestellt und mir außerdem Vorschuß gegeben, von dem ich das Taxi bezahlt habe. Also, wann übernehme ich die nächste Fuhre?«
Ich sah, wie die abgemagerten Hände auf der Schreibtischplatte zu zittern begannen.
»Hören Sie gut zu.« Er sprach mit letzter Kraft. »Alle meine Wagen sind unterwegs. Die nächsten kommen erst in zwei Tagen zurück. Machen Sie bis dahin Pause. Gehen Sie.« Ich stand langsam und schwerfällig auf, steckte mir noch eine Zigarette an und ging dann langsam zur Tür.
Der Fruit-Import-Boß verfolgte jede meiner Bewegungen. Er sah aus wie einer, der auf dem Pulverfaß sitzt. Zeitweise hatte ich den Eindruck, daß er genau wußte, wer ich war und was gespielt wurde.
»Sie werden mich bald Wiedersehen«, verhieß ich in der Tür, »denn ich werde den Vorschuß abarbeiten.«
Der Bursche knirschte mit den Zähnen und hätte mir am liebsten etwas nachgerufen. Aber er schwieg. So ging ich ohne seine guten Wünsche.
Als ich am Parkhochhaus ankam, in dem mein Jaguar untergestellt war, klebten mir Hemd und Hose am schweißnassen Körper. Ganz New York glich immer noch einem Brutkasten.
Ich bezahlte die Parkgebühr und fuhr mit dem Lift zu meinem Wagen hoch, kletterte hinein und kutschierte nach Manhattan hinüber. Als ich über die Queensboro-Bridge fuhr, zuckte der erste Blitz über New York auf. Vier Sekunden später folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag, als ob jemand Fort Knox in die Luft sprengte.
Bis dahin war ich mit offenem Fenster gefahren. Schleunigst schloß ich die Luken, denn ein Wind kam auf, der den
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