0437 - Sie müssen sterben, Mr. High!
taub«, entfuhr es ihr.
Sie erschrak selbst über den schrillen Ton ihrer Erwiderung. Das hatte sie nicht beabsichtigt. Aber es war ihr so schnell herausgefahren, daß es eigentlich gegen ihren Willen so herausfordernd klang.
In seinem unbewegten Gesicht zeigte sich die Andeutung eines kühlen, sehr verächtlichen Lächelns.
»Du bist nicht kleinzukriegen, was?«' fragte er gelassen. »Ganz große Klasse, wie? Durch nichts zu erschüttern, was? Na, das wollen wir mal sehen. Das wollen wir doch mal sehen!«
Er hockte sich nieder, so daß ihre Köpfe nicht mehr so weit voneinander entfernt waren. Ann zitterte unwillkürlich, als sie seinen Blick auffing. Noch nie hatte sie so starre Augen gesehen. Als ob es Glasaugen wären. Sie schienen leblos zu sein, so völlig gefühlskalt blickten sie.
»Du warst bei der Anderson«, sagte er ruhig, wie es seine Art war. »Du hast nach mir gefragt. Was wolltest du?«
Er scheint keine Ahnung zu haben, daß ich ihm wegen Blick-Black auf den Fersen war, dachte sie blitzschnell. Jetzt nur keine Andeutung in dieser Richtung! Nur nicht das Gespräch auf Blick bringen. Ich muß ihm etwas vorgaukeln. Irgend etwas. Aber was? Was würde er glauben?
Sie kippte um, so gewaltig war der Schlag, mit dem er ihr Gesicht traf. Der Schmerz flutete von der Wange zum Gehirn, ließ dort wie eine Explosion alles erzittern und pulste in einer heißen Woge durch den ganzen Körper. Schluchzend rang sie nach Atem. Mit einem Griff in ihr Genick zog er sie wieder in die sitzende Haltung hoch, die sie vorher eingenommen hatte.
»Wenn du noch einmal anfängst, dir irgendeine Lüge auszudenken, schlage ich dich windelweich.«
Noch immer war seine Stimme ruhig und gelassen. Ann spürte, wie der Schmerz allmählich abklang. Dafür war die getroffene Stelle jetzt glutheiß. Aber Ann kam aus einer Umgebung, in der Kinder oft verprügelt werden. Schläge war sie gewohnt. Und so stellte sich auch bei ihr wie von selbst die Wirkung ein, die Schläge jedesmal bei ihr auslösten. Ihr Trotz steigerte sich zu einem alles beherrschenden Punkt.
»Tüchtig!« schrie sie ihn an. »Sehr tüchtig! Nun los doch! Schlagen Sie doch weiter! Meinen Sie, damit können Sie mich fertigmachen? Daß ich nicht lache! Ich habe schon mehr Prügel eingesteckt als Sie jemals verteilen können! Na, los doch! Sie können mich verdreschen, bis ich bewußtlos werde. Und dann ist es mir egal. Also lassen Sie sich nicht auf halten, Sie feiges Miststück!«
Ihre Augen glitzerten vor Wut. Ihr Atem ging schnell, und ihre Stimme klang schrill. Ross hatte schon bei ihren ersten Worten die Hand erneut gehoben, ließ sie aber langsam wieder sinken und wartete, bis ihr Ausbruch vorüber war. Dann steckte er sich sehr langsam eine Zigarette an.
»Hartes Holz«, sagte er gelassen. »Das hätte ich mir denken können. Wer aus der Dreckecke kommt, aus der ich dich hervorgekratzt habe, der muß entweder aus hartem Holz sein oder weich wie Schaumgummi. Entweder weich genug, um immer weit genug nachgeben zu können, oder hart genug, um genug einstecken zu können. Du bist also von der harten Sorte. Na schön, ist mir recht.«
Er rauchte und sah sie an.
Sein Blick irritierte sie. Was heckt er jetzt wieder aus? fragte sie sich. Was wird nun kommen? Der ist nicht dumm, der Kerl, der nicht. Dem wird schon etwas einfallen, was wirksamer ist als eine Tracht Prügel. Was wird es sein?
Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Ross rauchte langsam und anscheinend mit Genuß. Er ließ sich Zeit, bis er die Zigarette ungefähr bis zur Hälfte geraucht hatte. Dann drückte er sie langsam und sorgfältig auf dem kalten Steinfußboden aus.
Irgend etwas mußte jetzt kommen. Anns Herz flatterte vor Angst. Auf ihrer Stirn erschien kalter Schweiß in hundert winzigen Tropfen. Sie konnte seinem Blick nicht mehr standhalten und sah an ihm vorbei auf die glatte, hellgraue Metalltür, durch die er gekommen war.
Als er sich bewegte, erschrak sie. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er in die ausgebeulte Rocktasche griff. Eine Flasche kam zum Vorschein mit einem Glasstöpsel. Sie sah etwa wie eine mittelgroße Arzneiflasche aus. Aber auf dem grellroten Etikett war ein schwarzer Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen aufgedruckt.
»Konzentrierte Salzsäure«, erklärte Ross mit einem versonnenen Lächeln »Schon mal davon gehört?«
Ann schüttelte den Kopf, ohne daß ihr die Bewegung bewußt wurde.
Er zog den Glasstöpsel aus der Flasche. Augenblicklich
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