0437 - Sie müssen sterben, Mr. High!
hätte.
»Sicher war es eine Geschichte aus der guten alten Zeit, was?« erwiderte ich. »Wo die bösen Gangster mit gepanzerten Fahrzeugen und riesigem Personalaufwand ganze Großstädte terrorisierten. Habe ich recht?«
»Kennst du die Serie?«
»Nein«, antwortete ich. »Woher soll ich sie kennen? Im Gegensatz zu einem gewissen Neville kann ich es mir nicht leisten, am frühen Abend schon vor dem Fernsehgerät zu sitzen. Aber nun komm zur Sache! Ich habe es eilig.«
»Na ja, ich wollte dir doch nur sagen, daß mir etwas eingefallen ist. Bei dieser Geschichte im Fernsehen kam mir eine Idee.«
»Ist denn das die Möglichkeit? Du hast Einfälle, Neville?«
»Hör auf, dämlich zu sticheln, ja? Ich war schon ein G-man, als du noch die Windeln naßgemacht hast.«
»Gut, gut, du hast recht. Aber nun komm endlich zur Sache. Was ist dir eingefallen?«
»Die Geschichte mit den Bleistiften!« Ich stutzte. Sowohl neben der Leiche von Blick Huller als, auch neben der von Acky Lewis drüben in Queens hatte ein nagelneuer Bleistift gelegen. Aber niemand von uns hatte eine Erklärung. Sollte Neville jetzt plötzlich mit einer kommen?
»Was ist mit den Bleistiften, alter Junge?« fragte ich gespannt.
»Ich weiß nicht mehr, wie lange das her ist. Vielleicht zwanzig Jahre, vielleicht noch mehr. Damals hatte die Mafia die Sitte eingeführt, einen Bleistift neben die Leiche eines ermordeten Gangsters zu legen. Als Warnung für andere, verstehst du?«
»Nein. Ich verstehe nicht, was sie damit sagen wollen.«
»Ganz einfach: Wir haben diesen Burschen von der Liste gestrichen, auf der Gehaltsliste durchgestrichen — so ungefähr. Kapierst du endlich?«
Ich stieß einen kurzen Pfiff aus.
»Doch, ja«, gab ich zu. »Ich begreife.«
»Aber das ist, wie gesagt, schon eine Ewigkeit her, daß man das mit den Bleistiften machte. Ich kann mir eigentlich nicht denken, daß jetzt wieder jemand auf diese alte Idee kommen sollte.«
»Vielleicht jemand, für den die Zeit stehengeblieben ist, Neville?«
»Die Zeit stehengeblieben? Was soll das heißen?«
»Zum Beispiel«, sagte ich langsam, »zum Beispiel jemand, der viele, viele Jahre im Zuchthaus saß. Was tun die Burschen schon in ihren Zellen, abgetrennt von der Entwicklung der übrigen Welt? Sie polieren immer und immer wieder ihre Erinnerungen auf. Und wenn sie schließlich entlassen werden, versuchen manche, da wieder anzuknüpfen, wo sie vor ihrer Strafe aufgehört haben. Als ob inzwischen nicht viele Jahre vergangen wären und die Zeiten sich geändert hätten.«
»Das ist wahr«, gab Neville zu. »Das wäre eine Erklärung, Jerry.«
»Es beweist nichts«, wandte ich ein. »Aber es unterstreicht einen Verdacht, len ich schon die ganze Zeit hatte. Zielen Dank, Neville. Wenn du genug Zeit dafür hast, rufe auch Lieutenant Easton von der IV. Mordkommission. Er gehört zu einer Generation, die diese alten Geschichten genausowenig kennen kann wie ich. Und er zerbricht sich bestimmt den Kopf über die Bleistifte.«
»Mach ich. So long, Jerry.«
»Mach’s gut, Neville«, sagte ich dankbar und hängte ein.
Ein Mosaiksteinchen mehr. Allmählich zeichneten sich die Umrisse des Bildes ab. Aber wenn Neville mit seiner Erklärung für die beiden Bleistifte neben den Leichen recht hatte, dann ergab sich eine bemerkenswerte Frage. Auf wessen Gehaltsliste hatte eigentlich der alte Säufer Blick-Black gestanden?
Ich kam nicht dazu, mir darüber weiter Gedanken zu machen, denn ich hatte die 86. Straße erreicht und jene Kneipe, die wir nach Blicks Tod unter die Lupe genommen, hatten, weil er vor seiner Ermordung dort gewesen war. Die beiden Schlägertypen lümmelten sich wieder in der Nähe des Eingangs herum. Bei meinem Anblick wollten sie sich verdrücken, aber ich ließ ihnen keine Zeit dazu. Mit ein paar Schritten war ich bei ihnen.
»Kommt mit an die Theke«, sagte ich halblaut zu ihnen. »Ich spendiere eine Lage.«
Normalerweise hatten sie garantiert nichts gegen eine solche Einladung, nur daß sie in diesem Falle von einem G-man kam, schien ihnen den Appetit zu verderben. Sie glotzten sich ratlos an, bis ich ihnen einen gutmütigen Stoß gab und sie vor mir herschob. Ich bestellte drei Whisky, bezahlte sie auf der Stelle und knöpfte mir den Rausschmeißer vor.
»Ihr kennt doch Ann Forth?« fragte ich leise.
»Klar«, kaute einer der beiden zwischen den Zähnen hervor. »Wer kennt die nicht? Die treibt sich dauernd hier herum.«
»Ich möchte die Namen und Adressen von
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