0437 - Sie müssen sterben, Mr. High!
womöglich erst kommen, wenn Ross in seiner Panik schon wer weiß was angerichtet hatte. Also gab es für mich gar keine zweite Chance.
Das Herz klopfte mir bis in den Hals hinauf. Ich zwang mich dazu, ruhig und tief zu atmen. Ich schob mir die linke Faust unter die linke Schläfe und konnte damit den Kopf ein wenig stützen.
Ross kam näher. Sein Gesicht war schweißnaß. Seine Augen blickten starr auf die Ecke, wo wir uns befanden. Die Kiste beachtete er nicht.
Tony Lister schien Schmerzen zu haben. Seine Mundwinkel waren breit auseinandergezogen, seine Augen verdreht. Ann Forth hielt die Augen geschlossen und setzte ihre Füße wie eine Schlafwandlerin voreinander.
Sie waren nur noch sieben Schritte entfernt. Ich gab Phil mit der Mündung meiner Pistole einen Wink. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er tief Luft holte und sich leicht duckte.
Ganz langsam legte ich die Mündung der Pistole auf die Oberkante eines Kistenbrettes. Das linke Auge schloß ich. Kimme — Korn — Ross. Eine gerade Linie.
Er schien die Handgelenke von beiden mit einem einzigen Strick zusammengeschnürt zu haben. Langsam schob er sie vor sich her. Seine rechte Hand mit der schwarzen, matt glänzenden Pistole war halb erhoben.
Noch fünf Yard. Spätestens aus drei Yard Entfernung mußte er mich hinter der Kiste entdecken. Ich gab ihm noch zwei Schritte. Ann Forth setzte den rechten Fuß vor den linken.
Ich krümmte den Zeigefinger, suchte den Druckpunkt, holte tief Luft.
Wieder bewegte Ann Forth ihr rechtes Bein. Plötzlich sah ich die rote, blutverkrustete Wunde, groß wie ein Silberdollar, auf ihrer Wade. Für einen Sekundenbruchteil ließ ich mich ablenken. Im selben Augenblick blieb Ross stehen.
»He!« rief er gellend. »Ihr da oben!«
Weder Phil noch ich konnten antworten, ohne ihm unsere Nähe zu verraten. Also schwiegen wir. Es machte ihn unsicher. Er reckte den Kopf. Die rechte Hand mit der Pistole kam höher.
»Ich komme jetzt ’rauf!« schrie er. »Aber mit den beiden Kindern! Wenn ihr schießt, müssen sie dran glauben!«
Er lauschte auf die erwartete Antwort.
Ich ließ die Mündung von oben her ins Ziel sinken. Als sein Zeigefinger in der Ziellinie erschien, zog ich durch.
Der Krach zerriß einem hier, wo er nicht ausschwingen konnte, fast das Trommelfell. Ein Schatten sprang über mich hinweg. Ich stemmte mich hoch und stürzte ebenfalls vor. Phil holte gerade aus. Sein Haken war mörderisch. Ross wirbelte rückwärts in den Gang hinein wie unter der Gewalt eines Wirbelsturms. Seine Pistole lag plötzlich harmlos glänzend mitten auf dem Fußboden.
***
Das Rotlicht warf einen geisterhaften Schein. Die Sirene schwoll an, ebbte ab und erhob von neuem ihre gellende Stimme. Der Jaguar hatte die Nase nach Norden gerichtet und schnurrte mit einer Geschwindigkeit, die bei Sirene und Rotlicht in New Yorker Straßen gerade noch zu verantworten ist, hinauf nach Yonkers.
»Ich muß mal telefonieren«, sagte Phil.
»Das kann ich mir denken«, erwiderte ich.
Er sah mich verdattert an. Ich ergriff an seiner Stelle das Sprechfunkgerät, nahm den Hörer ab und wartete die Meldung unserer Leitstelle ab.
»Phil braucht eine Verbindung mit seiner Wohnung«, sagte ich.
Meinem Freund ging der Mund nicht wieder zu. Er sah mich sprachlos an.
»Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?« erkundigte ich mich freundlich. »Meinst du im Ernst, ich hätte nicht längst gemerkt, daß du Mister High in deiner Wohnung versteckt hältst?«
»Uff«, sagte Phil, oder etwas Ähnliches.
»Ich möchte nur wissen, warum dieses ganze Theater«, knurrte ich. »War der Chef auf dem Pier, als die Ladung Sprengstoff hochging?«
»Ja. Das heißt, eigentlich nein.«
»Na, was denn nun?«
»Er war nicht auf dem Pier, er war über ihm!«
»Kannst du mal versuchen, allgemeinverständlich zu sprechen?«
»Er war über dem Pier. Das ist ganz einfach: Er bekam ein paar anonyme Anrufe. Jemand sagte ihm, daß ein New Yorker G-man trübe Geschäfte machte, daß er ein doppeltes Spiel spielte oder so etwas. Du kannst dir ja denken, wie eine solche Behauptung auf einen Distriktchef wirken muß.«
»Wenn auch nur der leiseste Grund bestünde, sie ernst zu nehmen, bringt sie ihn aus dem Häuschen.«
»Eben. Der Chef wollte dieser Sache unbedingt nachgehen. Er bekam einen Tip, er möchte sich nachts um zwei auf Pier fünfzehn am East River einfinden.«
»Das stinkt aber.«
»Und wie. Der Chef sagte es sich auch. Also fuhr er schon gegen elf hin
Weitere Kostenlose Bücher