0438 - Schlangenhand
damit ist. Die Schlange da sieht aus wie ein Mann…«
»Nein«, korrigierte ihn das Mädchen. »Es ist ein Mann mit einem Schlangenarm.«
»Meinetwegen auch das.«
Jetzt meldete sich Jorge wieder. »Wißt ihr denn wirklich nicht, wer dort abgebildet ist?«
»Sag es uns!« flüsterte der Messerheld hinter ihm.
»Es ist Vasco, der Verfluchte!«
»Kenne ich nicht«, sagte El Succo.
»Aber ich!« flüsterte das Mädchen und trat einen kleinen Schritt zurück, als verspürte es plötzlich Furcht. »Ich… ich kenne die Geschichte. Sie ist furchtbar.«
»Erzähle sie uns!« forderte El Succo. »Wir haben Zeit genug. Der Knabe hier läuft uns nicht weg!«
»Vasco hat vor 200 Jahren gelebt. Er war der Mönch der Seefahrer, hat aber später der Hölle gedient. Die Schlange ist sein Symbol gewesen. Gestorben scheint er nie zu sein. Ich weiß nicht, wie er hier an das Amulett gekommen ist, aber ich spüre, daß es gefährlich für uns werden kann. Wir sollten es nicht nehmen.«
El Succo lachte. »Dann steht der Kleine hier unter Umständen auch mit dem Teufel in Verbindung, wie?«
»Das kann ich nicht sagen…«
»Ja, ich glaube schon, daß er auf eine gewisse Art und Weise raffiniert ist. Das sehe ich an seinem Gesicht, aber wir sind es auch, darauf kannst du dich verlassen. Nein, wir lassen uns nicht fertigmachen. Wenn sich das herumspricht, haben wir ausgedient, das kann ich dir sagen. Ich will es nicht!« Zur Bekräftigung seiner Worte schloß er die Faust um das Beutestück.
Seine Augen hatten sich verengt. Das Gesicht wirkte wie ein hellerer Schatten in der Dunkelheit, doch plötzlich veränderte es sich, denn er riß seine Augen weit auf.
Für einen Moment stand er regungslos auf der Stelle, dann begann er fürchterlich zu schreien…
***
Die Zuschauer erlebten das kalte Entsetzen. Sie sahen El Succo, wie er sich auf seinen Absätzen drehte, den Mund offenhielt, weiter schrie und dann zur Seite taumelte.
Der Kerl hinter ihm war ebenfalls geschockt, aber nicht bewegungsunfähig. Er löste seinen Griff, lief auf El Succo zu, dessen Schreie jetzt über den kleinen Platz gellten. Sie hallten als schaurige Echos von den Hauswänden zurück, bis sie sich veränderten und in ein qualvolles Wimmern übergingen.
El Succo sank zu Boden.
Keiner tat etwas für ihn. Ein jeder schaute nur zu, und niemand wußte so recht, was eigentlich geschehen war, selbst Jorge nicht.
Er spürte die kalte Haut auf seinem Körper, und als er dem Mädchen einen Blick zuwarf, sah er, wie es in Schrecken erstarrt war und eine Hand vor die Lippen hielt.
Irgendwo wurde ein Fenster geöffnet, und eine Männerstimme schrie:
»Hat es euch endlich erwischt, ihr verdammten Ratten?«
Niemand antwortete. Nur El Succo wimmerte vor sich hin. Er hockte jetzt, die Hand hielt er noch immer geschlossen, fiel auf die Knie und hob müde den Kopf. Als er den Mund öffnete, hatte er große Mühe zu sprechen. »Sie… sie hat mich gebissen. Verdammt, versteht ihr? Sie hat mich gebissen! Das ist furchtbar. Das ist grauenhaft. Ich bin verloren. Die Schlange lebt!«
Er starrte die Umstehenden an, als könnte er von ihnen Hilfe erwarten.
Jeder aber wußte, daß er verloren war, wenn die Giftschlange ihn tatsächlich gebissen hatte.
El Succo, der harte Möchtegern-Gangster, sackte zur Seite. Er öffnete seine Faust und konnte das Amulett nicht mehr halten, so daß es zu Boden rutschte.
Keiner hatte Augen dafür, ein jeder sah die Hand El Succos. Der helle Lichtarm einer Taschenlampe fiel auf sie, und jeder konnte sehen, wie dick der Handballen geworden war.
Regelrecht angeschwollen und bläulichgrün schimmernd. Der Rand vergrößerte sich stetig. Er wurde zu einem regelrechten Ring, und die Umstehenden wußten, daß El Succo nicht mehr zu helfen war.
Er hatte den Teufel herausgefordert und mußte nun dafür bezahlen. So grausam war das Leben.
»Einen… einen Arzt…« Es waren die letzten Worte in seinem Leben.
Dann fiel er zur Seite und blieb, still liegen.
»Er… er ist tot!« hauchte das Mädchen. »El Succo ist tot.«
»Ja!« flüsterte Jorge. »Mich wollte er umbringen, nun hat es ihn selbst erwischt. Es ist die Strafe für seine verfluchten Untaten!«
»Wie kannst du so etwas sagen!« schrie das Mädchen. »Wir haben niemanden umgebracht. Wir haben…«
Jorge faßte sie an und schüttelte sie durch. Die anderen beiden halfen ihr nicht. Sie rannten plötzlich weg, so schnell ihre Beine sie tragen konnten. Bald waren sie in den
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