0438 - Schlangenhand
entstand, aus dem ein Blutstropfen quoll, der in einer schmalen Bahn an der Wange entlanglief.
Drei standen vor ihm. Der in der Mitte war bestimmt der Anführer, denn er fragte: »Wo willst du hin?«
»Weg!«
Jorge hörte das Lachen. »Ich hasse solche Antworten.« Dann trat der andere zu.
Der Junge krümmte sich. Er biß hart die Zähne zusammen. Tränen schössen in seine Augen, und hätte ihn der Typ nicht festgehalten, wäre er zusammengebrochen.
»Das ist unser Revier. Jeder, der hindurch will, muß zahlen. Hier herrschen wir. Ist dir nicht aufgefallen, daß keiner mehr draußen ist? Und das in dieser herrlichen Nacht. Sie alle haben Angst vor uns. Sie sind schlauer als du.«
»Laßt mich gehen! Ich habe nichts.«
Der Bandenchef lachte. »Wirklich nicht?«
»Nein.«
Der Typ nickte. »Gut, wir lassen dich laufen. Aber wenn wir etwas finden, schneiden wir dir unsere Zeichen in die Haut, damit du für alle Zeiten daran erinnert wirst, daß es sich nicht lohnt, El Succo zu belügen. Hast du gehört? Ich bin El Succo.«
»Ich kenne dich.«
»Wie gut. Dann weißt du auch, daß ich nicht scherze.«
Das wußte Jorge zu genau. El Succo hatte einen Namen. Er gehörte zu den brutalen Bandenkings, die in der Altstadt die Straßen unsicher machten.
Wer in seine Hände geriet, war verloren. El Succo verfolgte sein Ziel gnadenlos. Er wollte einmal ein ganz Großer in der Lissaboner Unterwelt werden. Er befand sich bereits auf dem besten Weg dahin.
»Durchsucht unseren Freund!« Das ließen sich die beiden anderen nicht zweimal sagen.
Flinke Finger strichen über seinen Körper, er sah die Gesichter dicht vor sich und zuckte plötzlich zusammen, als er in einem Gesicht die weichen Linien unter dem Kopftuch erkannte.
Das war kein Junge, sondern ein Mädchen!
Ihr warmer Atem streifte sein Gesicht. Er sah den weichen Schwung ihres Mundes, aber auch den harten Ausdruck in den Augen. Nein, die gehörte zu den anderen Typen und machte mit. Wer in der Bande zählen wollte, mußte brutal sein.
Die Finger förderten aus Jorges Taschen ein Taschenmesser, ein Tuch und eine zerknüllte Zigarettenschachtel zutage, außerdem ein wenig Kleingeld, einen halben Kamm und einen zerfledderten Ausweis.
El Succo sah sich die Dinge an. »Du hast nichts gehabt?« fragte er dabei zynisch.
»Das ist doch keine Beute für euch.«
»Stimmt, aber ich mag nicht, wenn man mich anlügt. Ich wollte dich auf die Probe stellen. Du hast sie nicht bestanden.«
»Da ist noch etwas«, sagte der Mann hinter Jorge. »In der Hosentasche muß es stecken.«
El Succo sah persönlich nach. Er mußte die Hand schon tief in die enge Tasche schieben, um den Gegenstand zu finden. Dann hielt er ihn zwischen den Fingern. »Ein Stein«, sagte das Mädchen. »Muß wohl ein besonderer sein«, murmelte El Succo und befahl seinem Begleiter, mit der Lampe zu leuchten. Der richtete den Strahl auf die Hand des Anführers.
Und dort lag das Amulett!
Jorge erschrak fast ebenso stark wie zu dem Zeitpunkt, als die vier ihn angehalten hatten. Er hatte gehofft, daß sie es nicht finden würden, nun war es zu spät.
El Succo und zwei seiner Freunde schauten sich das Amulett an. Das Mädchen sagte mit leiser Stimme: »Da ist eine Schlange eingraviert. Muß etwas Besonderes sein.«
»Ja«, sagte El Succo, »meine ich auch.« Er hob den Blick und schaute Jorge ins Gesicht. »Was ist das?«
»Ein Amulett.«
»Das sehe ich selbst. Ist es ein Erbstück? Es sieht ungewöhnlich aus. Wer trägt schon eine Schlange in der Hosentasche?« El Succo lachte, aber es klang nicht echt.
Jorge merkte, wie seine Angst verschwand. Er dachte an Vasco, der ihn als Bote eingesetzt hatte, und er dachte auqh an die Kraft, die in dem Amulett wohnte. Wahrscheinlich unterschätzten diese Straßenräuber die Kraft des Steins, aber Jorge war fair genug, um sie zu warnen. »Gebt es mir zurück. Es ist besser so.«
El Succo schüttelte den Kopf. »Nein, niemals. Ich bin doch nicht wahnsinnig. Das ist ein Fundstück, auf das ich schon lange gewartet habe. Ein Talisman, den ich gut gebrauchen kann. Vielleicht hat es bestimmte Kräfte, die für mich arbeiten.«
»Gib es lieber her!«
Auch das Mädchen meldete sich. »Du solltest seinen Rat befolgen, El Succo.«
»Wieso?« fragte er scharf.
»Weil auch ich fühle, daß damit etwas nicht stimmt. Von diesem Stein geht eine Gefahr aus. Da sind Schwingungen. Wirf es fort, oder gib es ihm zurück.«
»Ich will es behalten. Und er wird mir sagen, was
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