0439 - Nacht der Hexen
sich eine unter den Arm klemmte und die beiden anderen in den Händen hielt.
»Und jezt verschwinden wir… der wird Augen machen so groß wie Flakscheinwerfer, wenn er das nächste Mal wieder hier unten auftaucht… schade, daß wir’s nicht sehen können. Aber allein die Vorstellung ist schon köstlich. Komm, laß uns wieder verschwinden.«
Sie traten in den Korridor hinaus, bewegten die Tür in die andere Richtung und hatten den blauen Gang vor sich. Zamorra schloß die Schiebetür. Wenig später hatten sie den Raum mit den Regenbogenblumen wieder erreicht.
Und von dort bis ins Château Montagne, Hunderte von Kilometern entfernt, waren es dann nur noch ein paar Schritte.
***
Rafaela eilte zum Fenster, als es draußen hupte. Sie sah ein Taxi vor dem Haus stehen. Das mußte Carlotta sein, die Freundin ihrer Mutter. Rafaela verließ die Wohnung, schloß sorgfältig ab, weil die Diebe derzeit in Rom Hochkonjunktur hatten, und lief die Treppe hinab nach unten.
Sie sah Carlotta im Fond des gelben Fiat mit dem Taxischild auf dem Dach und stieg ein. Der Fahrer setzte den Wagen sofort mit dem üblichen Tempo in Bewegung und fädelte sich in den chaotischen Stadtverkehr ein. Unter Benutzung des wichtigsten Zubehörteils, der Hupe, jagte er das Taxi dem Ziel entgegen.
Carlotta war merkwürdig schweigsam. Sie hatte es gerade mal fertig gebracht, ein freundliches »Hallo« zu murmeln, als Rafaela einstieg.
»Wohin fahren wir jetzt eigentlich?« wollte Rafaela neugierig wissen. »Du hast am Telefon nur was von einem Haus am Waldrand gesagt. Aber wo ist das?«
»Wirst du schon bald sehen«, sagte Carlotta.
Ihre Stimme klang seltsam verändert, etwas tiefer als sonst. Als Rafaela sie erstaunt ansah, meinte sie, daß auch Carlottas Aussehen sich geringfügig verändert hatte. Sie hatte die Freundin ihrer Mutter ein wenig anders in Erinnerung. Aber das konnte an der Schminke oder einer neuen Frisur liegen.
»Komm, tu nicht so geheimnisvoll«, drängte Rafaela.
»Du bist zu neugierig. Warte es ab.«
Der Wagen verließ Rom in südlicher Richtung. Die Häuser wurden weniger, die Felder mehr. Und Carlotta veränderte sich weiter. Ihr Gesicht wurde etwas eckiger, die Augen grünlicher, stechender. Ein zynischer Zug entstand um ihre Mundwinkel.
Neben Rafaela saß eine Fremde!
Das konnte doch nicht Carlotta sein!
Träume ich denn? fragte Rafaela sich, um im nächsten Moment vor Erschrecken fast aufzuschreien, denn die Frau neben ihr mußte doch ihre Gedanken gelesen haben.
»Hast du es endlich begriffen, Kleine? Zu spät für dich…«
»Wer - wer sind Sie? Was hat das zu bedeuten?« stieß Rafaela hervor.
Die Fremde grinste höhnisch.
»Anhalten!« schrie Rafaela. »Sofort anhalten! Ich will aussteigen!«
Aber der Taxifahrer schien seine Ohren auf Durchgang geschaltet zu haben und reagierte nicht. Als sie seine Schulter fassen wollte, um daran zu rütteln, war plötzlich eine schmale, blasse Hand da, die ihren Arm umgriff und mit unwiderstehlicher Gewalt nach unten zwang.
»Nein!« schrie Rafaela. »Lassen Sie mich los!«
Sie wollte die Tür aufstoßen, trotz der schnellen Fahrt des Wagens. Aber der Sicherungsstift senkte sich im gleichen Moment wie von selbst. Rafaela zog ihn wieder hoch. Abermals wollte sie die Tür aufstoßen.
»Willst du jetzt schon sterben, Kind?« fragte die Fremde neben ihr kalt. »Den Sturz ins Freie überlebst du nicht, und das wäre doch eine totale Verschwendung von Leben…«
Drei Finger berührten Rafaelas Schläfe.
Im gleichen Moment verlor sie die Besinnung.
Die Fahrt ins Ungewisse ging weiter…
***
Nur wenige Minuten später tauchte Carlotta, die echte Carlotta, per Taxi vor dem Haus auf, in dem Micaela mit ihrer Tochter wohnte. »Warten Sie bitte«, sagte die schwarzhaarige junge Frau und eilte zur Tür, um auf den Klingelknopf zu drücken.
Als sich auch nach dem zehnten Klingelversuch niemand rührte, wurde sie nervös. Sie sah an der Hausfassade hinauf. Aber es war noch nicht dunkel, so daß sie an Lichtschimmern hinter Fensterläden nicht erkennen konnte, ob jemand in einer Wohnung war oder nicht.
Fünfzehn Meter weiter befand sich ein öffentlicher Fernsprecher.
Carlotta warf eine Telefonmarke ein und rief Rafaela an. Aber die hob nicht ab.
»Das gibt’s doch nicht«, entfuhr es Carlotta. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Rafaela sie einfach versetzte, um eigene Wege zu gehen. Dafür war das Mädchen nicht rebellisch genug. Sie war recht brav erzogen und hielt
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