0439 - Todesspiel in Samt und Seide
häufiger auf den Ausgang richteten. »Sie sind nicht allein gekommen, nicht wahr?« fragte ich ihn.
Er starrte mich an. »Allein?« stotterte er. Er war richtig durcheinander.
»Draußen wartet Ihr Komplice im Wagen, stimmt es?« sagte ich geduldig. Mir wurde klar, daß es keinen Sinn hatte, irgendwelche Risiken einzugehen. »Kommen Sie mit«, sagte ich. Ich mußte ihn ein zweites Mal auffordern, ehe er sich in Bewegung setzte. Ich dirigierte ihn zum Tisch des Portiers, der uns bereits einige Zeit ziemlich fassungslos beobachtete. Der Boxer-Dandy setzte das schwere Paket auf dem Pult ab. Auf der Stirn des Mannes standen Schweißperlen.
Ich holte meinen Ausweis hervor und zeigte ihn dem Portier. »Rufen Sie die Polizei an«, bat ich. »Das nächste Revier soll schnellstens einen Streifenwagen vorbeischicken.«
Er nickte und griff nach dem Hörer. In diesem Moment glitt die Hand des Boxers ins Jackett. Ich packte rechtzeitig zu. Als er die Hand zurückzog, hatte ich sie gut im Griff. Er umspannte mit den Fingern eine 45er Pistole. Ein Judotrick genügte, um die Waffe zu Boden poltern zu lassen. Ich erreichte sie mit dem Fuß und kickte sie aus der Gefahrenzone.
Der Portier fuhr mit zitternden Händen fort, den Anschluß herzustellen. Er schnappte dabei mit den Lippen wie ein Fisch, der unversehens aufs Trockene geraten jst.
Mein Gegner hatte sich gefangen. Er besann sich auf seine Boxkünste und legte los. Da er inzwischen wußte, was ich konnte, stellte er seine Taktik darauf ein und vermied es, mit einem überhasteten Angriff sein Pulver zu verschießen. Er hielt die Deckung geschlossen und wartete auf eine gute Gelegenheit, mit einem Kerntreffer durchzukommen. Natürlich wußte er, daß ihm nicht viel Zeit blieb.
»Überfallkommando, bitte!« hörte ich den Portier japsen. »Wie, bitte? Ja, die Adresse…« Er sprach weiter, während ich eine Links-Rechts-Dublette ins Ziel brachte. Zwei mit Paketen beladene alte Damen kamen in die Halle. Die eine stieß einen Schrei aus und ließ alle Päckchen fallen, als sie uns sah, die andere blieb nur stehen und schaute fasziniert zu.
Der Boxer-Dandy und ich nahmen diese Randerscheinung kaum wahr. Wir hatten mehr als genug mit uns zu tun. Ich fightete ohne großen Drive, gewissermaßen mit hinhaltender Taktik. Es kam mir nur darauf an, den Burschen diesmal festzuhalten, koste es was es wolle.
Der Portier hatte den Anruf beendet. »Der Wagen wird gleich hier sein, Sir«, meldete er.
Die Worte brachten Bewegung in den Boxer. Ihm wurde bewußt, daß er erneut alles auf eine Karte setzen mußte, wenn er nicht erleben wollte, daß dieses Abenteuer mit seiner Verhaftung abgeschlossen werden sollte.
Er verdoppelte das Tempo und die Wucht seiner Schläge. Natürlich mußte er dabei die Defensivtaktik aufgeben und die Deckung etwas vernachlässigen. Das war mir nur recht. Ich ging mit, ich legte sogar noch etwas Kraft zu. Das Ende kam sehr rasch. Ich erwischte ihn voll auf den Punkt, und er fiel um wie vom Blitz getroffen. Jetzt schrien die beiden alten Damen im Chor. Der Portier ging auf sie zu, um ein paar beruhigende und auf klär ende Worte zu sagen. Ich bückte mich und klopfte den .bewußtlosen Schläger nach Papieren ab. Er hatte eine Brieftasche bei sich, aber sic enthielt nur zweihundert Dollar in Scheinen und einige Briefmarken. Ich steckte die Brieftasche an ihren Platz zurück und kümmerte mich um die Pistole. Ich brauchte nur an der Mündung zu schnuppern, um zu wissen, daß das Ding erst kürzlich benutzt worden war. Eine 45er, das sagte mir genug. Fryland war mit einer Waffe dieses Kalibers erschossen worden. Der Boxer-Dandy sah genau so aus, als sei er auf derlei Arbeiten spezialisiert.
»Können Sie mit einem solchen Ding umgehen?« fragte ich den Portier.
Er nickte unsicher. »Gewiß, ich war ja im Krieg. Aber gern fasse ich so etwas nicht an!«
Ich überlegte. Die Waffe enthielt sicherlich die Fingerabdrücke des Boxers. Wenn es die Mordwaffe war, durften die Abdrücke unter keinen Umständen verwischt werden. Andererseits drängte es mich danach, auf der Straße nach dem Komplicen des Schlägers Umschau zu halten. Ich konnte mich aber nicht entfernen, ohne den Boxer in sicherem Gewahrsam zu wissen.
»Ich habe selbst eine Waffe — mit Lizenz natürlich!« vertraute mir der Portier an. »Hier im Pult. Unter Verschluß, ganz klar! Wenn man für so viele Menschen und Wohnungen verantwortlich ist, wissen Sie…«
»Schon gut«, unterbrach ich ihn.
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