0439 - Todesspiel in Samt und Seide
können Sie mir den Job abnehmen«, meinte Humber. »Ich habe noch genug Schreibtischarbeit zu erledigen.«
»Ich fahre gleich los. Schlüssel haben sich in Frylands Taschen nicht gefunden?«
»Nein.«
Zwanzig Minuten später kletterte ich in der Fulton Street aus meinem Flitzer. Das Haus Nummer 144 war groß, modern, repräsentativ, wie fast alles in dieser Straße. Ich ging hinein und zeigte dem Portier meinen Ausweis. Ich erklärte ihm kurz, worum es ging. Er wurde etwas blaß und begann zu zittern. Offenbar hatte er ein Nervenleiden. »Mr. Fryland ermordet!« murmelte er und schüttelte den Kopf. »Unbegreiflich, was in dieser Welt alles passiert! Sie möchten die Wohnung sehen? Augenblick, bitte — ich hole den Zweitschlüssel.«
Wir fuhren mit dem Lift nach oben. Fryland hatte ein Apartment im neunten Stock gemietet. »Zwei Zimmer mit Küche und Bad«, informierte mich der Portier, als wir den Lift verließen. »Das ist die beliebteste Einheit im Haus. Darf ich vorangehen?«
»Vorsicht, bitte!« warnte ich ihn, als er die Tür aufschloß. »Rühren Sie nichts an. Ich bin ziemlich sicher, daß schon vor uns Besucher hier waren.«
Die Diele war klein und quadratisch. An einem Haken hing ein Burberry-Regenmantel, und auf der Ablage lag ein Herrenhut mit Pepitamuster. Wir betraten das Wohnzimmer. Es war ein mittelgroßer, modern eingerichteter Raum ohne besondere persönliche Eigenart. Die Schubläden des Schreibsekretärs waren geöffnet. Papiere lagen auf dem Boden verstreut. Ich bückte mich und hob einen Zettel auf. Er enthielt einige Notizen über ein Rennen, sonst nichts. »Sehen Sie jetzt, was ich meine?« fragte ich. »Vor uns war schon Besuch da.« Ich steckte den Zettel ein.
»Mr. Fryland war viel unterwegs, oft wochenlang!« erinnerte sich der Portier.
»Welchen Beruf übte er aus?«
»Er verkaufte landwirtschaftliche Maschinen, glaube ich«, meinte der Portier.
»Empfing er oft Besuch?«
»Das weiß ich nicht. Das Haus ist zu groß, um da einen richtigen Überblick zu gewinnen.«
»Na ja, aber Sie müssen doch gesehen haben, ob er gelegentlich Geschäftsfreunde oder mal ein Mädchen mitbrachte!«
»Mädchen? Es war immer die gleiche«, erinnerte sich der Portier. »Ein hübsches Ding, so um die fünfundzwanzig herum, gut gebaut, rotblond, blauäugig. Wirklich Klasse!«
»Kennen Sie ihren Namen?«
»Nein, aber ich weiß, daß sie am Hudson Terminal in dem großen Schnellrestaurant arbeitet. Sie sitzt dort an der Kasse. Wahrscheinlich hat er sie dort kennengelernt. Es ist ja nur drei Häuserblocks von hier entfernt.«
»Vielen Dank«, sagte ich. Ich betrachtete noch einige der Zettel, die aus dem Schreibsekretär gefallen waren, und sah mir dann den Rest der Wohnung an. Zwanzig Minuten später fuhr ich mit dem Portier nach unten. Ich verabschiedete mich von ihm und ging zu Fuß zum Hudson Terminal. In dem rundum verglasten Schnellrestaurant war ziemlich viel Betrieb. Von den vier Kassiererinnen hatte nur eine rotblondes Haar.'Sie sah wirklich hübsch aus. Ich ging auf sie zu und zeigte ihr meinen Ausweis. »Sie müßten sich ein paar Minuten ablösen lassen. Ich möchte Sie sprechen.«
Sie schaute mich böse an. »Sie sehen doch, daß ich beschäftigt bin!« sagte sie. »In anderthalb Stunden habe ich Feierabend. Kommen Sie dann noch einmal wieder, und treten Sie zur Seite, bitte — Sie sehen doch, daß hinter Ihnen zwei Kunden stehen.«
»Anderthalb Stunden?« Ich machte Platz. »So lange kann ich nicht warten.«
»Okay«, meinte sie wütend und bonte, was die Kunden auf den Tabletts vorbeitrugen. »Ich spreche mit dem Geschäftsführer.«
Sie schloß die Kasse ab, stellte das Schild: »Closed« vor dem Zugang auf und eilte davon. Zwei Minuten später kam sie zurück. »Wir können uns im Büro unterhalten«, sagte sie.
Das Mädchen hatte eine blendende Figur. Wie alle weiblichen Angestellten des Restaurants trug sie eine Art Uniform, einen grünen Kittel mit gemustertem Kragen. Auf dem Kittel war ein Schildchen mit ihrem Namen befestigt: »Miß Gwinn.« Wir gingen nach oben, in die Büroetage. In der Rezeption stand ein kleiner runder Tisch mit einigen hochmodernen, höchst unbequemen Stühlen. Wir setzten uns.
»Wann haben Sie Mr. Fryland zuletzt gesehen?« fragte ich.
»Hank? Lassen Sie mich nachdenken. Vor einer Woche. Was ist mit ihm?«
»Er wurde ermordet«, sagte ich und schaute sie an?
»Sie lügen — das darf nicht wahr sein!« hauchte sie mit großen erschrockenen
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