044 - Der Teufelseid
Füßen, und hoch oben im Fels, wie ein Adlerhorst hingeklebt, ein Gebäude, das wahrhaft wie eine Burg schien und doch mehr den Charakter eines Klosters hatte.
»Hast du dieses Foto Phillip gegeben?«, erkundigte sich Cohen.
»Nein.«
»Das besagt immer noch nichts«, meinte Cohen. »Er kann es dir geklaut haben.«
Dorian schüttelte den Kopf.
»Ich sehe es selbst zum ersten Mal. Und ich weiß, dass ich noch nie zusammen mit Coco in einer Gegend wie dieser war.«
»Na ja …« Cohen wusste offensichtlich nicht, was er darauf sagen sollte. »Das ist aber immer noch kein Grund, dass du auf einmal so verschlossen bist.«
Dorian holte das andere Foto hervor, dass die Rothaarige zeigte. Er händigte es Cohen mit den Worten aus: »Noch vor einer halben Stunde zeigte der Hintergrund dieses Bildes das Innere der ›Schwarzen Orchidee‹. Sieh ihn dir jetzt an.«
Es zeigte nun den gleichen Hintergrund – die Steilküste mit dem abenteuerlich anmutenden Bauwerk darin – wie das Foto mit Dorian und Coco, dessen Zustandekommen Dorian rätselhaft war.
»Fahr mich in die Jugendstilvilla!«, verlangte Dorian.
Dorian war zum Schlafen viel zu aufgeregt. Nicht einmal das monotone Vibrieren des über den Wolken dahingleitenden Flugzeugs konnte ihn einschläfern.
Seine Gedanken hielten ihn wach. Er erinnerte sich, dass ihn jemand darauf aufmerksam gemacht hatte, dass man in Griechenland osteuropäische Zeit habe, und er stellte seine Armbanduhr um zwei Stunden vor.
»Und wenn diese angeblichen Beweise Ihnen nur zugespielt wurden, um Sie vom Ort des Geschehens fortzulocken, Hunter?«, hatte Sullivan ihn aufmerksam gemacht.
»Sie werden mich vertreten, Sullivan«, hatte Dorians Antwort gelautet.
Natürlich konnte Sullivan Recht haben. Dorian hatte sich diese Möglichkeit selbst schon überlegt. Er hatte die ganze vergangene Nacht Zeit zum Nachdenken gehabt. Und er hatte nachgedacht.
Er war in der Jugendstilvilla geblieben, hatte Lilian nicht einmal angerufen, sondern Cohen damit beauftragt.
»Marvin, ich hoffe, dass du nichts Eigenmächtiges unternimmst«, sagte Dorian zu seinem Gefährten während der Fahrt zum Flughafen. Die Maschine sollte um 11 Uhr 10 starten. Es war schon fast zu spät. Cohen fuhr wie ein Wilder. Der Puppenmann Donald Chapman flog auf Dorians Schoß wie eine Marionette hin und her.
»Lasse dir ja nicht einfallen, mir zu folgen! Lilian braucht dich dringender als ich.«
Das hatte ihm einen verschreckten Blick Cohens eingebracht. Armer Marvin … Dorian wollte ihn nicht quälen und fügte deshalb hinzu: »Ich möchte dich bitten, dass du während meiner Abwesenheit auf Lilian aufpasst. Du flößt ihr Vertrauen ein.«
»Hat in deinem Koffer nicht noch ein Maskottchen von meiner Größe Platz?«, bot sich Chapman an.
»Ich muss allein damit fertig werden.«
»Womit? Warum engagierst du dich denn in diesem Maße? Nur für Phillip?«
Die Wolken türmten sich unter Dorian wie gigantische Wattebausche. Nein, sein persönliches Engagement hatte mit Philipp eigentlich am wenigsten zu tun. Ginge es nur um den Hermaphroditen, hätte er schwerere Geschütze aufgefahren.
Aber darüber sprach er mit den anderen nicht. Er musste ganz allein damit fertig werden. Wenn es nötig war, Coco zu töten, dann wollte er keine Zeugen dabei haben. Man begeht ja auch nicht Selbstmord vor Publikum.
Und es wäre eine Art Selbstmord, wenn er Coco richten müsste. Er würde mit ihr ein Stück seines Ichs töten.
Er hatte keine großen Vorbereitungen getroffen und außer seiner gnostischen Gemme nur ein Foto von Coco und einige handliche Dämonenbanner, die man immer brauchen konnte, mitgenommen.
Aber nicht das Foto, das ihn mit ihr vor einem griechischen Kloster zeigte. Das konnte eine Fälschung sein – es musste eine Fälschung sein, denn er war mit Coco noch nie in Griechenland gewesen. Um sie töten zu können, brauchte er eine Original-Abbildung. Er konnte sie eines scheußlichen Todes sterben lassen …
Die Stewardess kam – ein niedliches Ding, aber farblos und synthetisch wirkend mit ihrem Keepsmiling. Er sah durch sie hindurch. In einer Stunde würden sie landen.
Dorian hatte sich die ganze Nacht hindurch den Kopf zerbrochen. Warum spielte ihm Coco diese Fotos in die Hand? Um ihn auf eine falsche Spur zu locken, wie Sullivan andeutete?
Das war nicht ihre Art. Wenn sie in die Schwarze Familie zurück wollte und Phillip entführte, um ihn beim Initiationsritus zu opfern, dann war sie auch teuflisch genug,
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