044 - Die Millionengeschichte
könnte.«
»Hat er nicht Verluste gehabt in der letzten Zeit?«
»Nein. Soweit ich weiß, ist mein Onkel sehr reich, und es würde schon viel dazugehören, daß er das ganze große Vermögen, das er während seines langen Lebens angesammelt hat, verlieren könnte.«
»Kennen Sie dieses Glas?«
Er hielt den kleinen Likörkelch in die Höhe, in dem sich noch ein Rest Kognak befand.
»Ja.«
»Ist es das Glas, das Sie gewöhnlich für Ihren Onkel füllten?«
»Ja. Ich goß jeden Abend zwei Gläser für meinen Onkel ein. Dort steht auch das andere.« Sie zeigte auf das Büfett. »Es ist noch voll.«
»Das habe ich auch schon bemerkt. Können Sie mir dies erklären, Miss Léman? Ihr Onkel hatte die Gewohnheit, immer für Mr. Sands ein Glas einschenken zu lassen, wenn man seinen Besuch erwartete. Hat er das auch bei anderen Leuten getan, die zu ihm kamen?«
»Ja. Wir hatten allerdings nur selten Besuch.«
»Trank Ihr Onkel immer aus demselben Glas, zum Beispiel aus dem, das dem Fenster am nächsten stand? Oder nahm er bald das eine, bald das andere?«
»Mr. Sands kann Ihnen darüber mehr erzählen«, erwiderte sie. »Ich war meistens nicht dabei, wenn er das Glas austrank.«
»Aber Sie wußten jedenfalls, welches der beiden Gläser Ihr Onkel nahm und welches für den Gast bestimmt war?«
»Ja, ich glaube schon.«
Plötzlich erhob sie sich von ihrem Stuhl.
»Was wollen Sie denn eigentlich mit all dem sagen?« fragte sie.
»Ich will gar nichts damit sagen, ich will nur die Wahrheit herausfinden. Seien Sie ruhig, Jimmy.«
Er hob die Hand, um den Protest seines Bekannten gar nicht zum Ausdruck kommen zu lassen.
»Sie interessieren sich ganz besonders für diesen Fall, weil Sie ein Freund von Miss Léman sind. Das verstehe ich sehr gut. Aber Sie wissen auch, Jimmy, daß ich hier meine Pflicht erfüllen muß. Daran läßt sich nichts ändern.«
»Aber die Vermutung, die aus Ihren Worten spricht, ist einfach entsetzlich«, erwiderte Jimmy aufgebracht. »Es ist doch vollständig ausgeschlossen, daß Sie -«
»Ich sagte schon vorher, daß ich keine vorgefaßten Meinungen habe«, erklärte Inspektor Blessington ruhig. »Ich stelle nur einige wichtige Fragen an Miss Léman. Sie hatten also einen Streit mit Ihrem Onkel?«
»Vor ein paar Tagen hatte ich eine kleine Auseinandersetzung mit ihm«, entgegnete sie und sah Sands an. »Später erzählte ich es diesem Herrn.«
Sands nickte bedächtig.
»Ja, das stimmt. Ich habe es ja bereits erwähnt und auch gesagt, wie die Verhältnisse hier im Haus lagen und wie unangenehm Ihr Onkel manchmal zu Ihnen sein konnte.«
»Heute abend sind Sie zum Konzert gegangen. Haben Sie vorher noch die beiden Gläser eingeschenkt?«
»Ja.«
»Sie wußten, daß Mr. Sands kommen würde?«
»Ja, das hat mir mein Onkel gesagt. Er erwähnte auch, daß er eine wichtige Sache mit ihm zu besprechen hätte. Als ich ihm erzählte, daß ich ins Konzert ginge, schien er sehr damit einverstanden zu sein. Ja, er sagte sogar, daß es ihm lieb sei, wenn ich das Haus recht bald verließe.«
»Wann begann denn das Konzert?«
»Um halb acht.«
»Und soviel ich verstehe, wollte er Mr. Sands um acht Uhr treffen. Dann haben Sie wohl um Viertel nach sieben das Haus verlassen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Er bat mich merkwürdigerweise, schon um halb sieben zu gehen.«
»Hat er Ihnen sonst noch etwas gesagt?«
»Ja, er gab mir den Auftrag, Schreibmaterial auf den Tisch zu legen. Dort ist es auch noch.« Sie zeigte auf einen Block Schreibpapier und einen Bleistift.
Blessington machte ein paar Notizen und wandte sich dann an John Sands.
»Sie haben mir vorhin gesagt, daß Mrs. Léman in Paris lebt. Hat sie sich nach ihrer Trauung immer dort aufgehalten?«
»Ja, soweit ich informiert bin.«
»Standen Sie mit ihr in Verbindung?«
John zögerte einen Augenblick.
»Ich brauche schließlich kein Geheimnis daraus zu machen«, meinte er dann. »Ja, ich stand mit ihr in Briefwechsel. Mr. Harry Léman heiratete diese Dame, aber gleich nach der Trennung trennten sie sich. Ich hatte von ihm den Auftrag erhalten, ihr monatlich eine gewisse Summe zu senden, und ich muß sagen, daß Mr. Léman in der Beziehung sehr großzügig war.«
»Haben Sie die Dame selbst gesehen?«
»Ja, einmal. Sie fuhr nach England und blieb kurze Zeit hier, aber merkwürdigerweise kam sie nicht mit ihrem Mann zusammen.«
Der Detektiv nickte.
»Ich möchte sie gern sprechen. Schreiben Sie der Dame, und sobald sie in
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