044 - Die Millionengeschichte
bei einer Vergiftung mit Blausäure genügten. Wenn die andere Annahme richtig ist, saß der Alte am Schreibtisch und schrieb. Man kann kaum annehmen, daß er während einer wichtigen Unterhaltung mit einer Dame auf dem Sofa lag.«
»Daher müßte man auch vermuten, daß er sofort auf den Fußboden niederstürzte, nachdem er das Gift getrunken hatte.
Dem widersprechen aber die Tatsachen. Wir haben ihn nicht auf dem Boden gefunden, sondern auf dem Sofa.«
»Da haben Sie recht. Aber es wäre doch möglich gewesen, daß er auf dem Sofa gelegen hätte, als sie ihm das Glas reichte - und das Glas stand doch am Kopfende des Sofas.«
»Dann kann ich es mir nicht anders erklären, als daß der Besucher sehr gut mit Mr. Léman bekannt und vertraut war«, meinte Jimmy.
»Als Sie mit Miss Léman zum Hotel gingen, wußte ich noch nichts von diesem geheimnisvollen Damenbesuch. Ich stellte ein paar Nachforschungen an und gewann daraus den Eindruck, daß zwischen halb sieben und zehn Minuten nach acht niemand hier im Haus gewesen ist. Zu diesem Zeitpunkt kamen Sie doch mit John Sands hierher?«
Jimmy nickte.
»Aber Sie können doch die Anwesenheit der Dame nicht außer acht lassen.«
Ein anderer Beamter von Scotland Yard kam in diesem Augenblick und brachte die nötigen Akten.
»Ich will erst einmal die ganze Wohnung durchsuchen«, sagte der Polizeiinspektor und ging durch die fünf Zimmer, die Léman und seine Nichte bewohnt hatten. Auf der Schwelle des letzten Raumes blieb er stehen - es war das Zimmer Faiths.
»Ich muß auch dieses Zimmer durchsuchen«, sagte er.
Jimmy nickte.
Für ihn war es nahezu ein Verbrechen, daß ein Polizist dieses Allerheiligste durchsuchen wollte, aber er wußte, daß ein Protest keinen Zweck hatte. Blessington beendete seine Untersuchung rasch. Schließlich kam er noch zu dem kleinen Schreibtisch, in dem Faith ein paar Schmuckstücke aufbewahrte.
Unter einem Haufen von Taschentüchern fand er einen kleinen Kasten aus Zedernholz, in dem ein Fläschchen mit einer farblosen Flüssigkeit lag.
»Was ist denn das?«
Er nahm den Korken ab, roch daran und sah dann verstört auf.
»Verdammt!«
»Was ist denn los?« fragte Jimmy.
»Das kann nichts anderes als Blausäure sein - es riecht nach bitteren Mandeln.« Der Detektiv prüfte es noch einmal.
»Das müssen wir untersuchen lassen. Und wenn dieses Fläschchen tatsächlich Blausäure enthält, Jimmy, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Miss Léman heute abend noch zu verhaften.«
9
Es war zwei Uhr morgens, als John Sands zur Haustür ging, weil es draußen heftig pochte. Als er verschlafen öffnete, stand Jimmy Cassidy vor ihm, der sehr elend aussah.
»Treten Sie näher. Was ist denn geschehen? Sie sehen ja aus, als ob es Ihnen recht schlecht ginge.«
»Sie haben sie verhaftet«, erwiderte Jimmy heiser. »Ist das nicht furchtbar?«
»Wen haben sie verhaftet?«
»Wen? Miss Léman! Und nur Sie allein sind daran schuld. Warum mußten Sie auch Blessington sagen, daß die beiden miteinander gestritten haben? Warum wollten Sie denn durchaus Miss Faith in Unannehmlichkeiten bringen?«
»Sie sind ja ganz von Sinnen und so aufgeregt, daß Sie nicht mehr klar denken können. Hier, trinken Sie ein Glas Wein.«
»Nein, danke.«
Jimmy schob das Glas beiseite.
»Ich will Ihren Wein nicht, ich will auch nicht, daß Sie mich beruhigen, Sands. Ich weiß sehr wohl, was hier vorgegangen ist, ich sehe vollkommen klar. In meinem Beruf haben wir keinen Respekt vor der Ehrbarkeit irgendwelcher Leute. Obwohl Sie immer taten, als ob Sie uninteressiert wären, wissen Sie etwas, und ich gehe nicht eher, als bis Sie es mir gesagt haben. Wer war diese Frau?«
»Ich weiß ja noch gar nicht, von welcher Frau Sie sprechen«, entgegnete John Sands geduldig. »Aber ich glaube, daß Sie die Dame meinen, die Sie aus der Wohnung kommen sahen. Übrigens haben nur Sie die Frau gesehen.«
»Aber die Tür war offen, das können Sie doch nicht abstreiten«, erwiderte Jimmy.
Einen Augenblick stutzte John Sands.
»Das stimmt allerdings«, sagte er dann, »daran hatte ich nicht gedacht. Niemand hat die Tür aufgelassen, und ich kann mir nicht denken, daß ich es gewesen sein sollte.«
»Nein, Sie haben sie wieder zugeschlossen, das habe ich deutlich gesehen. Übrigens habe ich auch das Schloß genau untersucht, bevor ich am Abend das Haus verließ. Es ist ein Yale-Schloß. Verzeihen Sie, wenn ich ein wenig kritisch bin, aber mich hat die ganze Sache furchtbar
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