0440 - Mein letzter Fall?
stieg. Ich ballte die Hände und spürte den Schweiß auf meinen Handflächen. Das Erlebnis in der letzten Nacht war einfach zu hart und schlimm gewesen. Das hatte Spuren in meiner Seele hinterlassen.
Kann man sich als Mensch gegen ein Schicksal anstemmen, das in einem Buch vorgezeichnet ist? Aus welch einem Grunde hätte der Seher sonst das Buch der grausamen Träume erwähnen sollen?
Das Festival des Teufels würde beginnen, und ich war derjenige, der mitten hineinspringen mußte.
Noch einen letzten Blick warf ich auf die schimmernde Tafel, dann drehte ich mich um und ging mit etwas müden Schritten zum Lift. Die Grüße der Kollegen erwiderte ich ziemlich geistesabwesend und hatte auch keinen Blick für die beiden Mädchen, die mit mir zusammen im Lift standen und nach oben fuhren.
Glenda kam an diesem Tag später.
Suko hatte die Kaffeemaschine schon angestellt.
»Er ist gleich fertig. Vielleicht wird dich das Getränk aufmuntern.«
In meinem Büro setzte ich mich hinter den Schreibtisch und sah die Meldungen durch, die in der Nacht hereingekommen waren. Ich las die Notizen, ohne eigentlich zu begreifen, um was es wirklich ging. Daß Suko unser gemeinsames Büro betreten hatte, merkte ich nur am Duft des Kaffees. Er stellte die Tasse vor mich hin. »Hoffentlich schmeckt er dir so gut wie Glendas.« Ich probierte ihn. »Und?«
»Man kann ihn trinken.«
»Du beleidigst mich.« Ich hob nur die Schultern.
Meine Reaktionen brachten Suko auf die Palme. Er sprang hoch. »Verdammt, John, was ist los mit dir? Reiß dich mal zusammen. Wie oft hat man dir schon deinen Tod prophezeit. Denk daran, was du in Deutschland auf diesem verdammten Folterbett mitgemacht hast! Da warst du ja auch sehr nahe an der Grenze zum Jenseits.«
»Stimmt.«
»Ich kann dir auch zahlreiche Vorfälle aufzählen, wo die Chancen gleich Null waren.«
»Das weiß ich auch, Suko. Du würdest nur anders reden, wenn du in der Nacht die Stimme des Sehers gehört hättest.«
»Bestimmt würde ich das. Aber kannst du dieser Seite nicht etwas Positives abgewinnen?«
»Wie meinst du das?«
»Nimm es als Warnung hin. Oder denk an unseren alten Spruch. Eine erkannte Gefahr ist eine halbe Gefahr.«
»So würde ich auch gern denken.«
»Und weshalb tust du es nicht?«
»Weil ich es einfach nicht kann und weil ich das Gefühl habe, daß dieser Fall der letzte sein könnte.«
»Ach.«
»Was heißt das?«
»Dann willst du dich also nicht hinsetzen und die Hände in den Schoß legen?«
»Nein, ich fliege nach Belgien, um dort die Straße der Teufel zu suchen.« Suko lehnte sich zurück. »Meinst du, damit diesen anderen Dingen aus dem Weg gehen zu können?«
»Nein, aber ich muß etwas tun. Und ich werde das Gefühl nicht los, daß beides zusammenhängt.«
»Mißt du den Phantasien oder Träumen des Jungen einen so großen Wert bei?« fragte Suko.
»Ich weiß nicht, ob es nur Träume oder Phantasien sind. Er hat da ziemlich konkret gesprochen. Er war mit seiner Schulklasse in Belgien. Dort hat er auch die Komturei besucht.«
»Die Straße der Teufel?«
»So ungefähr. Er hat es ziemlich genau beschrieben. Die Gegend muß er einfach gesehen haben.«
»Das kann natürlich hinkommen.« Suko dachte laut über das Wort Komturei nach. »Darunter versteht man doch so etwas wie ein Gut - oder?«
»Nicht ganz. Eine Niederlassung. Heute würde man vielleicht Filiale sagen.«
»Die wer gegründet hat?«
»Kreuzritter.«
»Templer?«
»Das kann es sein.« Plötzlich war ich wieder Feuer und Flamme. Dieses eine Wort hatte meine Depressionen vertrieben. Die Templer waren in den letzten Monaten praktisch das A und O bei unseren Fällen gewesen.
Ich hatte mehr über sie erfahren und wußte jetzt auch, wie sehr mein Schicksal mit dem der Templer verbunden war. Jedem kleinsten Hinweis ging ich nach. Eine alte Komturei aus dem Mittelalter deutete möglicherweise auf die Templer hin. Zudem hatten sie überall in Europa ihre Spuren hinterlassen. Ob in Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien oder Deutschland. Wer genau hinschaute und forschte, fand sie auch. Suko lachte. »Jetzt habe ich wohl deine schlimme Stimmung endlich vertrieben?«
»Es geht.«
»Also ran.«
Ich winkte ab. »Bist du sauer, wenn ich allein nach Belgien fahre?«
»Schon wieder allein?« Suko holte tief Luft. »Ich kann mich daran erinnern, daß du erst in der letzten Woche allein in Germany warst und fast umgekommen wärst.«
»Ja, das stimmt. Einigen wir uns auf einen Kompromiß.
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